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Litwinenko-Affäre: "Ich habe keine Symptome"

Dem Litwinenko-Kontaktmann Mario Scaramella geht es trotz seiner Polonium-Vergiftung offenbar gut. London befürchtet unterdessen in der Agentenmord-Affäre Ärger mit Moskau.

London/Rom - Zwei Tage nach dem Nachweis seiner Polonium-Vergiftung hat der italienische Kontaktmann des tödlich vergifteten Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko seinen Gesundheitszustand als gut geschildert. "Trotz einer großen Angst (...) fühle ich mich derzeit gut, ich habe keine Symptome", schrieb Mario Scaramella in einem Brief an seinen Anwalt, den dieser der italienischen Nachrichtenagentur Ansa übermittelte. Die in seinem Körper nachgewiesene Menge Polonium 210 sei "bedeutend geringer" als die von Litwinenko. Britische Zeitungen hatten berichtet, auch Scaramella sei dem Tod geweiht. London befürchtet nach Zeitungsberichten wegen der Affäre eine Belastung der Beziehungen zu Moskau.

Auch die Londoner Universitätsklinik, in der Scaramella behandelt wird, widersprach den Zeitungsberichten, wonach sich Scaramella in Lebensgefahr befand. Scaramella gehe es gut; vorläufige Tests hätten "keine Beweise für eine radioaktive Vergiftung" gebracht, sagte ein Kliniksprecher. Allerdings räumte Scaramella in seinem Brief auch ein, dass die in seinem Urin nachgewiesene Polonium-Menge "nichtsdestoweniger als möglicherweise tödlich angesehen" werde. Das italienische Gesundheitsministerium teilte mit, Scaramella könne bereits am Montag aus der Klinik entlassen werden. Er war am Freitag ins Krankenhaus eingeliefert worden. Mehrere britische Boulevardblätter hatten unter Berufung auf Ärzte berichtet, Scaramella habe praktisch keine Überlebenschance.

In dem Brief an seinen Anwalt Sergio Rastrelli schrieb Scaramella, er gehe davon aus, dass seine und Litwinenkos Vergiftung mit Informationen zusammenhingen, die der Ex-Agent ihm "vor Monaten" gegeben habe. Scaramella hatte Litwinenko am 1. November in London getroffen. Am selben Tag begannen die Vergiftungserscheinungen bei dem Russen, der rund drei Wochen später starb.

Sorge um britisch-russisches Verhältnis

Die Affäre belastet britischen Zeitungsberichten zufolge zunehmend die britisch-russischen Beziehungen. Laut "Sunday Times" warnte Premierminister Tony Blair im Kabinett, dass "das größte Problem" auf lange Sicht sicher das britisch-russische Verhältnis sein werde. Ein nicht namentlich genannter Minister habe ebenfalls Bedenken geäußert: Die bilateralen Beziehungen seien zu wichtig, um es sich mit den Russen wegen dieser Sache zu verderben.

Britische Blätter setzten am Wochenende auf die These eines russischen Geheimdienst-Komplotts. Die Zeitung "Daily Telegraph" druckte Auszüge aus einem Dokument, das Scaramella Litwinenko übergeben haben soll. Darin ist von einer Todesliste des russischen Auslandsgeheimdienstes (SVR) die Rede, auf der neben Litwinenko und Scaramella der im Londoner Exil lebende russische Milliardär Boris Beresowski und ein italienischer Senator stünden. Der SVR und eine Veteranen-Gruppe namens "Würde und Ehre" seien auf "Russlands Feind Nummer 1" Beresowski und seinen "Waffenbruder" Litwinenko angesetzt, zitierte das Blatt aus dem Memo. Ein Oberst Walentin Welitschko führe die Gruppe an.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow wies derartige Hypothesen der Medien über eine Verwicklung der Geheimdienste seines Landes in den Mord an Litwinenko zurück. Er sehe keine "logischen" Begründungen dafür, dass der frühere sowjetische Geheimdienst KGB oder sein Nachfoger, der russische FSB, hinter der Vergiftung Litwinenkos stecken könne, sagte Iwanow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax in einem am Samstag ausgestrahlten Interview. Iwanow setzte sich für eine "objektive Untersuchung" des Todesfalles ein. Russland werde dazu "jede erdenkliche Hilfe" leisten.

Pressebericht: FBI schaltet sich ein

Inzwischen schalteten sich laut einem Pressebericht auch die USA in die Ermittlungen ein. Die britische Zeitung "The Observer" berichtete, Beamte der US-Bundespolizei FBI hätten gemeinsam mit britischen Polizisten den früheren KGB-Agenten Juri Schwets in Washington befragt. Schwets habe eigenen Angaben zufolge Informationen über die Ereignisse um Litwinenko. Er habe den Beamten ein Dokument aus Litvinenkos Besitz gegeben, in dem Enthüllungen über die Zerschlagung des russischen Ölkonzerns Yukos durch Moskau enthalten seien, berichtete das Blatt unter Berufung auf einen Geschäftspartner von Schwets. (tso/AFP)

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