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Tagesspiegel-Reporter Frank Jansen berichtet über Rechtsextremismus und recherchiert auch zur Aufklärung der NSU-Terrorserie.

© Kai-Uwe Heinrich, dpa

Live-Chat mit Frank Jansen zum Nachlesen: "Die Neuen Rechten gehören genauso geächtet wie NPD und Neonazis"

Frank Jansen, Rechtsextremismus-Experte, im Chat mit den Tagesspiegel-Lesern. Wird rechtsextreme Gewalt in Deutschland verharmlost? Wie konnte der NSU so lange unentdeckt bleiben? Was bringt ein NPD-Verbot? Der Live-Chat zum Nachlesen - und Diskutieren.

Von Frank Jansen

Tagesspiegel-Reporter Frank Jansen beobachtet seit vielen Jahren die rechtsextreme Szene und wurde für seine Arbeit unlängst mit dem Journalistenpreis "Der lange Atmen" ausgezeichnet. Auch zum rechten Terrornetzwerk NSU hat Jansen seit Monaten recherchiert und berichtet.

Wird rechtsextreme Gewalt in Deutschland verharmlost? Wie konnte der NSU trotz der vielen V-Leute in der Szene so lange unentdeckt bleiben? Und was muss sich bei den Sicherheitsbehörden ändern? Um Fragen ging es im Chat eine Stunde lang.

Lesen Sie den Chat hier nach - und nutzen Sie die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite, um die Ergebnisse mitzudiskutieren!

- jungle:
mich würde interessieren, ob Sie einen Unterschied sehen in der Verbreitung und den Aktivitäten rechtsextremer Gruppen in Ost und West? Wenn ja, welche Gründe gibt es?
Welche Bedeutung hat es, dass während die NSU in Kassel einen Mordanschlag verübte, auch ein Kontaktmann eines Geheimdienstes in der Stadt anwesend war?
MfG,
jungle

- Frank Jansen
Hallo,
rechtsextreme Gruppierungen sind im Osten stärker verbreitet als in den "alten Bundesländern". Ein Grund ist die nach wie vor grassierende Ausländerfeindlichkeit, die in den neuen Bundesländern härter und direkter geäußert wird und die auch erheblich schneller umschlägt in Gewalt. Entsprechend sind die Zahlen der Polizei zu Gewalttaten im Osten proportional höher als im Westen. In den Statistiken der Polizei rangieren östliche Länder bei der Frage nach rechtsextremen Gewalttaten pro 100 000 Einwohner traditionell weit oben.
Zu Kassel: nach dem bisherigen Ermittlungsstand war es offenbar ein Zufall, dass während des Mordes in dem Internetcafé ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes anwesend war. Es gibt keine Hinweise auf eine Beteiligung des Mannes an Aktionen des NSU. Es wäre auch seltsam, wenn sich ein Mitwisser des Terrors, erst recht wenn es sich um einen Verfassungsschützer handeln würde, während der Tat oder kurz davor am Tatort aufhält und sich somit in Gefahr bringt, bei den Ermittlungen der Polizei selbst ins Visier zu geraten.

- suennerklaas: Ich beobachte die Tendenz, dass Neonazis in Teilen der Gesellschaft immer noch als das "Kleinere Übel" angesehen werden. Noch erschreckender finde ich, dass die NSU nach dem Mord am Alex teilweise unverholenen Beifall bekommt. Läuft hier nicht etwas fundamental falsch im Land?

- Frank Jansen:
Hallo,

ich habe etwas Mühe, Ihren Beitrag zu verstehen. Neonazis als "kleineres Übel" im Vergleich zu was? Mir ist bislang auch nicht bekannt, dass der NSU Beifall bekommen hat nach dem Tötungsdelikt am Alex. Wenn Sie da mehr wissen, teilen Sie es mir bitte mit. Danke.

- janine_lohse

Lieber Herr Jansen. Was halten Sie von einem NPD- Verbot?

- Frank Jansen:
grundsätzlich ist ein NPD-Verbot überfällig. Die Partei steht inhaltlich dem Nationalsozialismus nahe. Wäre die NPD ein Verein, wäre sie auch längst verboten. Da sind wir allerdings auch beim Kern des Problems: um eine Partei zu verbieten, müssen in Deutschland hohe juristische Hürden überwunden werden. Einen Verein kann ein Innenminister verbieten, eine Partei nur das Bundesverfassungsgericht. Und das hat 2003 das damalige Verbotsverfahren gestoppt, wegen der unklaren Rolle von V-Leuten in Vorständen der NPD.
Bei einem neuen Verbotsverfahren wäre zu berücksichtigen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hohe Maßstäbe an die Verhältnismäßigkeit der Mittel anlegt. Deshalb erscheint es fraglich, dass die Richter in Straßburg das Verbot einer Partei billigen würden, die bei Wahlen meist nur knapp ein Prozent der Stimmen bekommt. In Nordrhein-Westfalen, wo soviele Menschen leben wie in allen neuen Bundesländern zusammen, waren es zuletzt sogar nur 0,5 Prozent.
Ich stehe deshalb einem zweiten Anlauf in Karlsruhe skeptisch gegenüber. Eine weitere Blamage kann und darf sich die Demokratie nicht erlauben. Ich würde es begrüßen, wenn die Politik auch prüfen könnte, ob es möglich wäre, der NPD den Geldhahn abzudrehen. Dann wäre die Partei am Ende, ohne dass ein riskantes Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht geführt werden müsste.

- kaira:

ich würde mich der Frage von janine_lohse gerne anschließen. Dass die Polizei rechtlich gezwungen ist, nicht nur ausländerfeindlichem sondern rassistischem Gedankengut eine Plattform zu ermöglichen (Durchsetzung des Rechts auf Demonstration und Kundgebung), finde ich äußerst zynisch. Aber wie verzahnt sehen sie die NSU mit der NPD?

- Frank Jansen:
die NPD war mit dem NSU nach bisherigem Ermittlungsstand nicht verzahnt. Es gab Verbindungen zwischen einzelnen Mitgliedern der Partei zum NSU und zu seinem Umfeld. Aber Generalbundesanwalt Harald Range hat schon im Frühjahr festgestellt, der NSU sei nicht die Armee der NPD gewesen. Mit den Kontakten und der Hilfe einzelner NPD-Leute zum NSU allein ließe sich ein Verbot der Partei nicht begründen.

- get:

Hallo Herr Jansen, bezogen auf die vergangenen 10 Jahre, denken Sie, dass der Verfassungsschutz insgesamt mehr gebracht oder mehr geschadet hat?

- Frank Jansen:
man könnte die Frage auch anders stellen: wo wären wir heute ohne den Verfassungsschutz? In den vergangenen zehn Jahren ist es nur einem einzigen Islamisten gelungen, in Deutschland einen Anschlag zu verüben. Das war der junge Kosovare Arid Uka, der in Frankfurt zwei US-Soldaten erschossen hat. Dass nicht mehr Anschläge und Attentate verübt wurden, ist auch der Arbeit des Verfassungsschutzes zu verdanken. Ohne die frühzeitige Aufklärung extremistischer Aktivitäten durch den Verfassungsschutz wäre Deutschland weniger sicher. Dagegen sprechen auch nicht die Fehler und Versäumnisse, die der Verfassungsschutz sich zurechnen lassen muss, insbesondere beim Thema NSU. Auch wenn das natürlich eine bittere Geschichte ist, die den Verfassungsschutz viel Vertrauen gekostet hat.

- peeka:

Hallo, Herr Jansen, in Neukölln haben wir in den letzten Jahren verstärkt Anschläge auf "linke" Projekte zu verzeichnen. Meines Wissens nach gibt es bisher keine Festnahmen geschweige denn Anklagen, obwohl es eigentlich keinen allzu großen potenziellen Täterkreis gibt. Warum glauben Sie sind solche Brandanschläge wie die auf das Haus der "Falken" immer noch nicht aufgeklärt? Gibt es ein Desinteresse in der Politik oder ist es wirklich so schwer, der Täter habhaft zu werden?

- Frank Jansen:

Hallo, ich hoffe auch, dass die Täter bald gefasst werden, zumal aus dieser Szene auch der Tagesspiegel bedroht wird. Die Polizei muss aber gerichtsfeste Beweise oder zumindest einen begründbaren Verdacht haben, bevor sie jemanden festnimmt. Sollte das nicht der Fall sein, wäre es beispielsweise nicht möglich, einen Haftbefehl zu erreichen. Die rechtsextreme Szene Berlins ist zudem teilweise konspirativ organisiert. Die Polizei kann nicht einfach zu einem Szenetreff gehen und Neonazis festnehmen.

- ps2000:

Sehr geehrter Herr Jansen, bis zum heutigen Tage gibt es keine Beweise das die Tötungen auf das Konto von rechten/ nationalen Gruppierungen geht. Es gibt lediglich Hinweise auf Verfassungsschutz Mitarbeitern in verschiedenen Formen. Warum spricht man also von rechten Morden?

- Frank Jansen:

Hallo, die Belege sind eindeutig: bei den Morden des NSU an den neun Migranten wurde die Waffe der Marke Ceska benutzt, die die Polizei im Schutt des Hauses in Zwickau fand, das Beate Zschäpe vor einem Jahr angezündet hat. Und die Dienstwaffen der 2007 in Heilbronn erschossenen Polizistin Michele Kiesewetter lag in dem ausgebrannten Wohnmobil, in dem sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt umgebracht haben.

- FeiHung:

Hallo Herr Jansen, meine Frage an einen Experten wie Sie wäre: Stimmt mein Eindruck, dass Rechtsextremismus ein Stück weit gesellschaftsfähig geworden ist? Zum Beispiel unter dem Label "Islamkritik", das ja auch Seiten wie pi-News benutzen? Um es kurz zu sagen: mir machen weniger die NPD pder 200 demonstrierende Glatzköpfe Sorgen, als vielmehr die Möglichkeit, dass die Gesellschaft als ganzes "unterwandert" wird (ist ein sehr starkes Wort, mir fiel grad kein passenderes ein). Und diese Sorge habe ich, weil ich mir Kommentare in Online-Foren durchlese und die entsprechenden Bewertungen. Aber vielleicht ist das alles ja auch völlig unrepräsentativ und ich brauche mir keine Sorgen zu machen. Der tatsächliche Erfolg von Büchern, die sich mit "nicht-deutschem" auseinandersetzen und draufprügeln, ist für mich allerdings ein Hinweis, dass es problematisch wird. Können Sie mich beruhigen? :)

- Frank Jansen:
Hallo,
beruhigen kann ich Sie nicht, aber ich sehe auch keinen Anlass für Panik. Rechtsextreme Einstellungen waren schon immer auch in Teilen der "bürgerlichen" Gesellschaft verbreitet. Das betrifft vor allem rassistische, antisemitische und homophobe Einstellungen. Das wird natürlich weniger öffentlich geäußert als es bei der Propaganda von NPD und Neonazis der Fall ist. Solche Einstellungen sind übel und potenziell gefährlich, da sie gerade jungen Rechtsextremisten das Gefühl geben könnten, sie handelten als Vollstrecker im Namen einer schweigenden Mehrheit. Allerdings sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass die Mehrheit der Bevölkerung stabil zur Demokratie steht, trotz aller Ressentiments und Politikverdrossenheit. Deshalb kann ich insoweit beruhigen, dass ein 4. Reich meiner Meinung nach nicht zu befürchten ist. Die Ressentiments, zunehmend auch gegenüber Muslimen, sollten aber intensiv beobachtet werden. Nicht nur von den Sicherheitsbehörden, sondern auch von der Zivilgesellschaft. Und gerade sie sollte deutlich der Hetze gegen Muslime widersprechen.

- remember:

Bund und Länder lassen sich nicht in die Karten schauen und so können dann schon mal Unstimmigkeiten vorgegeben werden, die dann als Erklärung für die Serie herhalten mussen. Ich denke aber auch die Personen selbst sind immer noch so auf LINKS getrimmt, dass ihnen das rechte Spektrum als vollkommen harmlos erscheint. Die Schredderaktionen und die Aussageverweigerungen, sowie die Verheimlichung von Personen in diesem Bereich machen dann noch ganz andere Gedanken möglich. Da bleibt doch nur noch eine scharf kontrollierte Auflösung übrig - Oder?

- Frank Jansen:

Hallo, die Sicherheitsbehörden sind keineswegs nur "auf links getrimmt". Wenn Sie sich die Jahresberichte des Verfassungsschutzes anschauen, werden Sie feststellen, dass auf vielen Seiten die Aktiviäten von Rechtsextremisten, auch ausländischen, detailliert geschildert werden. Das gilt auch für die Umtriebe von Islamisten. Eine "scharf kontrollierte Auflösung" des Verfassungsschutzes hielte ich für einen schweren Fehler.

- kaleu:

Sehr geehrter Herr Jansen, liegen Ihnen gesicherte Daten vor, die die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten in Deutschland, im Verhältnis zur deutschstämmigen Gesamtbevölkerung, abbilden? Eine Prozentangabe, dem Rechtsradikalismus ggf. zustimmender Personen, würde mich darüber hinaus interessieren. mit freundlichen Grüßen @kaleu

- Frank Jansen:

Hallo, der Verfassungsschutz spricht von derzeit knapp 10 000 gewaltbereiten Rechtsextremisten. Wie der Fall NSU gezeigt hat, reichen aber auch schon zwei Männer mit einer Pistole, um Gewalttaten bis hin zum Mord zu verüben. Da stellt sich die Frage zum zahlenmäßigen Verhältnis zur "deutschstämmigen" Bevölkerung nicht mehr.

- jungle:

Noch eine Frage, warum konkret ist die Rolle der V-Leute ein Hindernis für ein NPD-Verbot gewesen?

- Frank Jansen:

Hallo, drei von sieben Richtern des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts waren der Ansicht, es sei unklar, in welchem Maße der Staat über die V-Leute in Vorständen der NPD Einfluss auf die Partei genommen hat, auch noch nachdem die Verbotsanträge gestellt waren.

- commentaire:

Hallo Herr Jansen, (betrifft "suennerklass") diese "Beobachtung" mache ich auch. Wie kann man dagegen angehen, dass der Fall NSU nicht durch Vorfälle durch "Südländer" in der Bevölkerung "relativiert" wird und sich zwei "Mächte" aufbauen? militante Arme der z.B. GDL ?

- Frank Jansen:

Hallo, was bitte meinen Sie mit "GDL"?

- peeka:

"GDL" ist sicherlich die German Defence League

- Karl_der_Grosse:

Hallo Herr Jansen, wäre es nicht sinnvoll, wenn sich alle demokratischen Parteien aktiv zum Grundgesetz bekennen und dies auch aktiv leben z.B. Demonstrationen für das deutsche Grundgesetz/Vermittlung des Grundgesetzes in (Grund-)Schulen/ ...? Wir sollten für das deutsche Grundgesetz eintreten, es muss die Wertebasis unseres gemeinsamen Handeln`s sein und dann können wir ja gegen Rechts- und Linksextreme demonstrieren. Mit besten Grüßen KdG

- Frank Jansen:

Hallo, natürlich ist ein Engagement für die Demokratie und speziell für das Grundgesetz immer zu begrüßen. Das bringt auf Dauer auch mehr als nur "Nazis raus" zu rufen.

- auguste:

Unsere Regierung, unsere Polizei konnte weder verhindern noch aufklären - ein Schutz der Menschen vor Mord und Totschlag, aber auch vor falschen Beschuldigungen, vor Verleumdungen und Lügen fand/findet nicht statt. Auch eine angemessene Reaktion auf das Versagen fand/findet kaum statt. Falls es Vertrauen gab, ist es spätestens jetzt weg. Was raten Sie uns, Herr Jansen, zum Schutz, auch zur Vorbeugung vor rechtsradikaler Gewalt jeder Art? Gibt es in Ihren Augen überhaupt die Möglichkeit, sich als Bürgerin vor politischer - vor allem aber "angewandter" Rechtsradikalität ohne die Unterstützung der demokratischen Institutionen zu schützen?

- Frank Jansen:

Hallo, ohne die Unterstützung durch die demokratischen Institutionen ist Widerstand gegen Rechtsextremismus und Rassismus natürlich schwer. Aber jeder kann, solange es nicht zu gefährlich ist, in seinem Umfeld bräunlichen Tendenzen entgegenwirken. Zum Beispiel, indem man doofen ausländerfeindlichen Bemerkungen widerspricht. Oder indem man die Polizei auf Schmiereien in der Nachbarschaft hinweist. Keiner sollte vor rechtsextremen Aktivitäten resignieren. Dann hätten Neonazis schon ein Stück Demokratie zerstört.

- FeiHung:

Vielen Dank. Meine zweite Frage wäre, ob Sie als Journalist, der sich offen und kritisch mit Rechtsradikalismus auseinandersetzt, Bedrohungen und Beleidigungen ausgesetzt sind? Und falls ja, wie Sie damit umgehen? Können Sie das einfach wegwischen oder beschäftigt Sie das? Ich bin jedenfalls froh, dass es Journalisten wie Sie gibt.

- Frank Jansen:

Hallo, Beschimpfungen und Beleidigungen ist man als Journalist, der sich länger mit der rechtsextremen Szene befasst, zwangsläufig ausgesetzt. Es gab auch Bedrohungen und einige Versuche, mich anzugreifen. Das ist für mich ein Grund mehr, intensiv mit den Sicherheitsbehörden zu kommunizieren. Von Zeit zu Zeit werde ich auch von Verfassungsschutz und Polizei informiert, wenn sich eine Bedrohung verdichtet. Bisher ist mir aber nichts passiert und ich werde meine Arbeit ungeachtet aller Schwierigkeiten fortsetzen.

- Kapitalismus-macht-krank:

Hallo Herr Jansen Die Grenze vom Rechtspopulismus zum Rechtsradikalismus ist sehr fließend. Nun gibt es da zwei Schreiberlinge der SPD, die mit ihren Büchern heftige Kritik eingefahren haben. Was würden Sie diesen Autoren empfehlen, ihr Anliegen so zum Ausdruck zu bringen ohne dabei die rechte Szene zu bedienen?

- Frank Jansen:

Hallo, die Herren Sarrazin und Buschkowsky äußern Ansichten, die viele Menschen problematisch finden. In beiden Fällen versuchen auch Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, für ihre Propaganda diese prominenten Namen zu instrumentalisieren. Ob Sarrazin und Buschkowsky nun anders argumentieren sollten, um ihre Ideen unters Volk zu bringen, kann ich aber nicht beurteilen. Das müsste man die beiden selbst fragen.

- suennerklaas:

Um meine Bemerkung eingangs zu erläutern: ich habe es nach dem Mord am Alex mehrfach (und nicht nur ein oder zwei Mal) erlebt, dass mir Leute, die ansonsten dem Neonazi-Unwesen unverdächtig sind, erklärt haben, diese Leute machten etwas gegen diese Kriminellen vom Alex. Dass man das nicht kapiert: hier baut sich ein schwerer Konflikt im Lande auf. Und selbst wenn es kleine Minderheiten sind: kleinste rechtsradikale Parteien haben in der islamischen Welt für schwere Ausschreitungen gesorgt - unter anderem im Sudan und im Jemen. Da besteht meines Ermessens auf allen Seiten dringender Handlungsbedarf. Hier müssen Konflikte nachhaltig gelöst und entschärft werden. Lautstarke Sprüche á la Roland Koch 2007/2008 sind nicht nur nicht hilfreich, sonder kontraproduktiv - zumal Koch ja dann seine Untätigkeit kleinlaut einräumen musste.

- Frank Jansen:

Hallo, ich hoffe, Sie haben diesen Leuten, die den NSU gelobt haben nach dem Tötungsdelikt am Alex, kräftig widersprochen haben. Wer die Themen NSU und Alex verknüpft, um rassistische Ressentiments zu schüren, betreibt Volksverhetzung und sollte bestraft werden.

- peeka:

Hallo Herr Jansen, sehen Sie denn in der Szene der "autonomen Nationalisten" bzw. des "nationalen Widerstands" eine personelle Überschneidung zu Personen der NPD z.B. aus Oberschöneweide oder auch bekannten Personen aus dem Umfeld einiger Fußballvereine aus dem Süden Neuköllns?

- Frank Jansen:

Hallo, eine mutmaßliche Überschneidung ergibt sich in der Person des Chefs der Berliner NPD, Sebastian Schmidtke. Der Verfassungsschutz ordnet Schmidtke auch der Neonazi-Szene zu. Schmidtke unterhält zumindest Kontakte zum Neonazi-Spektrum der "Autonomen Nationalisten". Ein Anführer der Autonomen Nationalisten in Berlin ist zudem Funktionär der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten".

- remember:

Wenn eine Organisation, die es als ihre Aufgabe bezeichnet solche Taten zu unterbinden und zu deren Aufklärung beizutragen, bei 10 Taten versagt, ja, seine "Ermittlungen" auf falsche Spuren lenkt und nunmehr auch noch mauert - Da halte ich die Auflösung für durchaus angesagt. Was muss denn sonst noch passieren, ehe auch nur eine Person wirkliche Konsequenzen zieht?

- Frank Jansen:

Hallo, wenn Sie von Auflösung einer "Organisation" sprechen, meinen Sie wahrscheinlich den Verfassungsschutz. Aber versagt hat im Fall NSU auch die Polizei. Sollte man sie also abschaffen? Ich glaube, die Debatte um eine Auflösung des Verfassungsschutzes ist kurzschlüssig. Wer sollte denn künftig Extremisten beobachten? Etwa die Polizei, die damit zur Superbehörde wüchse?

- commentaire:

Hallo Herr Jansen, wie stehen sie dazu, dass zwar bei rechter Gewalt von der Bevölkerung "Zeichen gezeigt" wird, durch z.B. Menschenketten. Aber, was vielfach nicht nur auf eindeutig rechten Internet-Seiten gefordert wird, auch Terror-Gewalt etc. von anderer Seite unter den Tisch fällt? Und man bei diesen Ansichten ziemlich schnell als z.b. "rechts" abgestempelt wird ?

- Frank Jansen:

Hallo, grundsätzlich ist Protest gegen politisch motivierte Gewalt legitim - wenn denn der Protest nicht selbst von einer extremistischen Basis erfolgt und sich somit ad absurdum führt.

- peeka:

Um nochmal nachzuhaken: Wenn es eine diesbezügliche Überschneidung gibt, wäre denn dann eine Überwachung dieser Personen nicht legal und könnte zur Aufklärung diverser Straftaten führen?

- Frank Jansen:
Hallo,
ich könnte mir vorstellen, dass die von mir genannten Personen durchaus von den Sicherheitsbehörden in den Blick genommen wurden. Und nicht erst jetzt . . .

- suennerklaas:

Eine Frage: Wie sollen wir mit den sogenannten "Neuen Rechten" umgehen - also Leuten, vom Schlage "PI". Dort wird unverholener Rassismus betrieben, da man sich aber das Mäntelchen der Israel-Freundlichkeit umgehängt hat, wird Kritikern sehr schnell unterstellt, Antisemiten zu sein. Diese Kreise haben ja den Terroristen Breivik hervorgebracht - sie sind m.e. ebenfalls sehr gefährlich.

- Frank Jansen:
Hallo,
die "Neuen Rechten" gehören genauso geächtet wie die NPD und Neonazis. Beide Spektren bekennen sich zu rassistischen Ressentiments, die "Neuen Rechten" bieten lediglich eine weniger schmuddelig erscheinende Verpackung an. Aber der Fall Breivik hat ja gezeigt, wohin islamfeindliche Propaganda, die gerade auch von "Neuen Rechten" betrieben wird, führen kann.

- Dach:

Guten Tag Herr Jansen, wenn ich an Berlin denke und was man über Berlin alles so liest, dann kommt mir in den Sinn, dass nach der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland an allen öffentlichen Schulen der Religionsunterricht eingeführt wurde. Berlin wollte das nicht. Auch in jüngster Vergangenheit hat sich Berlin beim Religionsunterricht "auf die Hinterfüße" gestellt. Die mangelnde Vermittlung von Werten scheint in Berlin mit eine Ursache zu sein, dass Gewalt und Terror Menschen prägen. Welche Gründe sehen Sie, dass sich Gewalt und Rechtsextremismus entwickeln?

- Frank Jansen:

Hallo, ich glaube nicht, dass ein Mangel an Religionsunterricht automatisch Rechtsextremismus und Gewalt begünstigt. Auch unabhängig von Religion sollte eine Gesellschaft in der Lage sein, sich über ihre Werte zu vergewissern.

- hutchence:

"die Herren Sarrazin und Buschkowsky äußern Ansichten, die viele Menschen problematisch finden. " Mindestens genauso viele halten diese Ansichten aber für realen Alltag...siehe Alexanderplatz...

- Frank Jansen:

Hallo,
der Fall Alexanderplatz (und nicht nur er) zeigt, dass es in Deutschland ein Problem mit gewalttätigen jungen Migranten gibt. Das bestreitet auch niemand. Außerdem ist nur ein kleiner Teil der in Deutschland lebenden jungen Migranten gewalttätig. Der Fall Alex zeigt aber auch, wie eine grauenhafte Tat benutzt werden kann, um Ressentiments zu verstärken, die dann ihrerseits zu Gewaltexzessen führen können, wie wir sie bei Anders Breivik erlebt haben und bei vielen Neonazis.

- Frank Jansen:
Vielen Dank für die interessanten Fragen und Anregungen. Ich freue mich, dass soviele Leserinnen und Leser des Tagesspiegels sich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen.
Beste Grüße,
Frank Jansen   

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