zum Hauptinhalt

Politik: Lizenz zum Leben

In Deutschland fehlen Organspender – Fachleute verlangen mehr Engagement von Kliniken und Kassen

Berlin - Sie sind zuständig fürs Gesetzemachen. Aber Gesetze, so meint Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), helfen in diesem Fall nicht weiter. So beschränken sich die Politiker zum Tag der Organspende wieder einmal auf Appelle. „Wir müssen die Angst überwinden bei den Menschen“, drängt die Ministerin. Und sie bezieht hier ausdrücklich auch die Hemmung vieler Ärzte mit ein, Angehörige von Sterbenden auf das Thema anzusprechen.

Es gibt zu wenig Organspender in Deutschland. Und nach Expertenmeinung hängt das vor allem damit zusammen, dass viele die Entscheidung, die ja Beschäftigung mit dem eigenen Tod voraussetzt, vor sich her schieben. Theoretisch würden 80 Prozent ihre Organe spenden, wissen Umfrageinstitute, de facto sind es aber nur zwölf Prozent.

Gegen die Verdrängung helfen sollen nun Kampagnen. Ein Vorbild könnten die USA sein. Unter dem Motto „Donate Life“ wird dort ebenso an Nächstenliebe wie Patriotismus appelliert. Mit der Folge, dass im Alltag kaum noch einer an dem Thema vorbeikommt. Es gibt T-Shirts, Aufkleber, Anstecknadeln. Unternehmer motivieren ihre Mitarbeiter, Angehörige von Organspendern werden öffentlich geehrt. Zusammen mit einer Optimierung der Arbeitsabläufe in den geeigneten Kliniken zeigt das Erfolg: Während in Deutschland auf eine Million Einwohner 15,3 Organspender kommen, sind es dort 22,6.

Höher sind die Quoten nur in Österreich und Spanien, wo aber eine sogenannte Widerspruchsregelung gilt: Wer der Spende nicht widerspricht, dem dürfen nach dem Tod Organe entnommen werden. Hierzulande ist dafür ausdrückliche Zustimmung von Spendern oder Angehörigen nötig, und davon wollen die Politiker auch nicht abrücken. Hinzu komme in Spanien aber, dass dort jede der 200 an Organspenden beteiligten Kliniken einen Transplantationsbeauftragten habe, sagt Günter Kirste vom Vorstand der Deutschen Stiftung Organspende. Zudem gebe es 500 Koordinatoren, die mit Angehörigen sprächen. In Deutschland liege ihre Zahl bei 60 – in mehr als 1400 Kliniken.

Durch bessere Klinikorganisation ließe sich die Spenderzahl verdoppeln, meint Kirste. Hinzu kommen müsse Aufklärungsarbeit. So plant die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Schüler ab der 9. Klasse eine Unterrichtseinheit zum Thema. Und die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner appelliert an die Krankenkassen. „Die müssen mehr tun“, sagt sie. „Oder sind Sie von Ihrer Kasse schon einmal gefragt worden, ob Sie Organspender sind?“ Auch Hausärzte könnten ihre Patienten darauf ansprechen. Auf die Techniker-Krankenkasse könne sich der Appell aber nicht beziehen, wehrt sich Sprecherin Dorothee Meusch . „Wir trommeln auf allen Ebenen, und das seit Jahren.“ Zum heutigen Tag der Organspende etwa verteile man in Kinos, Kneipen, Diskotheken und Universitäten mehr als eine Million Spenderausweise. Zudem könne der Pass im Internet heruntergeladen werden (www. tk-online.de). Denselben Service bietet die AOK Baden-Württemberg – unter www.aok-bw.de.

Man wolle keinen überreden, aber jeden motivieren, sich Gedanken zu machen, so Meusch. Wer Rat sucht, kann sich an die Hotline wenden (01802/ 8500 16). Oder gleich an Bruno Kollhorst. Der TK-Mitarbeiter, der die Infokampagne betreut, hat im September 2006 selber ein neues Herz erhalten. Sein Anliegen: möglichst viele zu motivieren, einen Spenderausweis bei sich zu tragen. Viele wüssten nicht, dass man darauf auch eine Weigerung vermerken könne oder den Namen derer, die im Fall des Falles die Entscheidung treffen sollen. Außerdem will Kollhorst, dass Unternehmer allen Gehaltsabrechnungen einen Flyer mit Organspendeausweis beilegen. Damit sich keiner mehr um das Thema herumdrücken kann.

Zur Startseite