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Politik: „Löblich, aber zu spät“

Experten kritisieren Informationskampagne

Berlin - Ab Sonntag werden die Deutschen aufgeklärt. Dann nämlich schaltet die Bundesregierung in Zeitungen und Magazinen Anzeigen, um unter dem Titel „Betrifft Hartz IV“ über Details der Arbeitsmarktreform zu informieren. Als „an sich löblich, aber zu spät“, bewertet Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft, die Aufklärungskampagne der Regierung. Seiner Ansicht nach hätte sie bereits parallel zu den Entscheidungen im vergangenen Jahr laufen müssen. „Dass man das nicht erkannt hat, wirkt nicht sehr professionell“, urteilt er.

Allein als „Chiffre für Angst, nicht für Bewegung am Arbeitsmarkt“ stehe Hartz IV inzwischen, sagt der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Er ist nicht der Ansicht, dass sich diese Stimmung jetzt noch wenden lasse. Gerade wegen der Komplexität der Reform hätte die Bundesregierung frühzeitig darüber informieren müssen. Das Positive von Hartz IV – etwa dass eine Allparteienkoalition das Thema Langzeitarbeitslosigkeit in Angriff genommen hat – sei derweil völlig aus dem Blick geraten. Mit der ersten Anzeigenwelle trägt die Regierung dem Rechnung. So wird gleich anfangs die Frage beantwortet: „Warum haben SPD, Grüne, CDU und CSU Hartz IV beschlossen?“

Der Bonner Sozialpsychologe Reinhold Bergler meint, dass man „das Problem nicht durch eine allgemeine Imagewerbung lösen“ könne. Die Betroffenen müssten genau erfahren, wie sich die Reform für sie auswirkt. „Nur Konkretes motiviert“, sagt Bergler. Berechnungsbeispiele, wie Regierungssprecher Bela Anda sie für die Internet-Seiten der Bundesregierung angekündigt hat, gingen daher in die richtige Richtung. Darüber hinaus müsse den Menschen klar und deutlich signalisiert werden, dass es keine Alternative zu Hartz IV gebe – etwa mit dem Tenor „Wenn wir nichts tun, nimmt die Arbeitslosigkeit noch weiter zu“.

Trotz aller Kritik sehen die drei Experten durchaus Sinn in der Regierungskampagne. „Durch elementare Informationen lassen sich die Sozialproteste eventuell beruhigen – wenn auch nicht völlig beseitigen“, vermutet Politologe Korte.Die Anzeigen könnten vor allem denjenigen etwas bringen, die die Notwendigkeit von Hartz IV bereits sehen, ergänzt Sozialpsychologe Bergler. Ihnen werde womöglich Argumentationsmaterial geliefert, das für die Reform spreche. Auch Werbestratege Nickel hält „die Aktion nicht für einen Schuss in den Ofen“. Es könne sein, dass sich die stark gefühlsbeladene Debatte auf diese Weise versachlichen lasse.

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