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Lösegeld: Schweigen über die Summen

Auch der letzte Teil des Geiseldramas war heikel. Nicht zuletzt politische Gründe waren am Mittwoch bei der Heimkehr der beiden freigelassenen Irak-Geiseln zu beachten.

Berlin - Nicht eine Luftwaffen-Maschine, sondern ein privates Charterflugzeug brachte Thomas Nitzschke und René Bräunlich nach Berlin. Damit signalisierte die neue Bundesregierung ein Stück Kontinuität mit der alten in der Haltung zum Irak-Krieg. Die Landung einer deutschen Militärmaschine in Bagdad verbot sich einfach - und wäre wohl auch zu gefährlich gewesen.

Die Freude über den glücklichen Ausgang überwog zunächst. Doch als das Flugzeug noch in Bagdad auf die beiden Leipziger wartete, gingen in Berlin am Mittwoch bereits die Spekulationen über Lösegeld-Zahlungen los. Anders als in früheren Fällen sorgten diesmal auch Regierungsmitglieder dafür, das entsprechender Stoff auf den Markt kam. Zur Verärgerung im eigenen Hauses plauderte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), bereits am frühen Morgen über einige operative Hintergründe. Im Krisenstab sei man schon lange überzeugt gewesen, dass es sich bei den Geiselnehmern nicht um den «harten Kern der Terroristen» gehandelt habe, denen es um politische Forderungen gegangen sei. Die Spur habe sich vielmehr schnell auf die florierende kriminelle «Geisel-Industrie» im Zweistrom-Land konzentriert, teilte Erler mit. Da diese Gruppierungen in der Regel nur gegen Barzahlung ihre Opfer freilassen, war diese Aussage zumindest indirekt schon eine Bestätigung dafür, dass wohl hohe Millionen-Beträge im Spiel waren.

«Eine Menge Geld» sei geflossen, verkündete wenig später auch der irakische Botschafter in Berlin, Alaa Al-Hahimy. Auf genaue Summen wollte sich der Diplomat zwar nicht festlegen. Von anfänglichen Forderungen der Entführer von bis zu 40 Millionen Euro war in Berlin jedoch die Rede. Experten halten es allerdings für ausgeschlossen, dass die Bundesregierung sich auf solche Summen eingelassen hat. Ein zweistelliger Millionenbetrag gilt jedoch als durchaus vorstellbar. Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang darauf, dass für die Freilassung der deutschen Irak-Geisel Susanne Osthoff Ende vergangenen Jahres trotz offiziell von deutscher Seite niemals bestätigter Berichte allein fünf Millionen Dollar gezahlt wurden.

Nach Überzeugung von Fachleuten wurde wohl auch diesmal das Lösegeld von der Bundesregierung nicht direkt an die Kidnapper selbst gezahlt. Wie in früheren Fällen wurden die Geldkoffer wahrscheinlich über «Vermittler» in mehreren Zwischenstationen übergeben. So wurde bereits im Entführungsfall der Göttinger Eheleute Wallert auf den Philippinen im Jahr 2000 verfahren. Der Chefunterhändler des damaligen Geiseldramas, Roberto Aventajadao, gab in seinen Memoiren Einblick, wie solche Finanz-Operationen abgewickelt werden. So wurde der Hauptteil des Lösegeldes von zehn Millionen Dollar über die Stiftung des Sohns von Libyens Präsident Mummar al Gaddafi bereitgestellt. Eine Million Dollar schoss nach dieser Darstellung die Regierung in Manila zunächst vor, die Rückzahlung aus Deutschland erfolgte zwei Monate später.

Auch im Dunstkreis der irakischen Banden tummeln sich solche «Vermittler», die vor allem bei den lukrativen Lösegeld-Verhandlungen von verschleppten Ausländern aktiv werden. Dazu gehört laut Medienberichten vor allem der Geschäftsmann Scheich Sattam al-Gaoud, dem enge Beziehungen zum früheren Diktator Saddam Hussein nachgesagt werden. Al-Gaud mischte danach kürzlich auch im Fall der US-Journalistin Jill Caroll mit, für deren Freilassung zunächst acht Millionen Dollar gefordert wurden. Ein Teil des schließlich bezahlten Betrags sei an wohltätige islamische Stiftungen geflossen, teilten zwielichtige Iraker nach der Aktion mit. (Von Joachim Schucht, dpa)

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