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Politik: Lukaschenko spielt Demokratie

Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag genießt die weißrussische Opposition beispiellose Freiheiten – chancenlos ist sie trotzdem

„Alles kommt gut.“ Mit diesen Worten beschwichtigte der weißrussische Präsident Aleksander Lukaschenko kürzlich seine verunsicherten Parlamentarier. Die handverlesenen Abgeordneten in Europas letzter Diktatur sorgten sich angesichts zahlreicher Berichte über eine stärker werdende Opposition um ihre Zukunft. Doch „Väterchen Luka“, wie der Autokrat von seinen Untergebenen spöttisch genannt wird, wusste Rat: „Wir haben Geheimdienste, die Polizei und die Armee“, wehrte der Präsident ab.

Zum vierten Mal will Lukaschenko sich am Sonntag im Amt bestätigen lassen. Für weißrussische Verhältnisse hat er seinen Herausforderern sensationelle Wahlkampfbedingungen ermöglicht – Freiheiten, die fast so groß sind wie bei seiner eigenen ersten Wahl 1994. Mit Slogans gegen die Korruption hatte der ehemalige Kolchosendirektor damals eine recht demokratisch organisierte Wahl gewonnen. Danach allerdings beschnitt er die bürgerlichen Freiheiten von Jahr zu Jahr. Ende der 90er Jahre ließ er Widersacher kurzerhand „verschwinden“. Von den Opfern seiner Todesschwadrone fehlt bis heute jede Spur. Dreimal ließ er sich seitdem mit hoher Zustimmung vom Volk im Amt bestätigen.

Auch die vierte Wiederwahl in Folge sollte für ihn kein Kunststück sein. Denn Lukaschenko regiert das Land mit eiserner Hand. Auch die zentrale Wahlkommission hat er im Griff. Dennoch ist diesmal alles etwas anders. Neun Gegenkandidaten hat seine allmächtige Administration zugelassen. Kein Oppositioneller wurde – wie früher üblich – aus fadenscheinigen Gründen ausgeschlossen. Herausragende Leitfiguren wie Aljaksander Milinkiewitsch fehlen allerdings, die Kandidaten sind abgesehen vom Führer der Bewegung „Europäisches Weißrussland“, Andrej Sannikau, kaum bekannt. Auf einen gemeinsamen Kandidaten konnte sich die seit Jahren zerstrittene Opposition auch diesmal nicht einigen.

Dies hat es Lukaschenko leichter gemacht, seinen Herausforderern ansatzweise faire Bedingungen zu garantieren. So konnten alle Kandidaten im staatlichen Rundfunk erstmals frei und zur besten Sendezeit ihr Programm vorstellen. Sogar die Präsidialzeitung „Sowjetskaja Belarus“ („Sowjetisches Weißrussland“) stellte jedem Kandidaten eine ganze Seite zur Verfügung. Zur Fernsehdiskussion aller Kandidaten erschien Lukaschenko jedoch nicht. Die Opposition nutzte die Gunst der Stunde, zerfleischte sich diesmal nicht, sondern rief zu Massenprotesten in der Minsker Innenstadt auf.

Vor vier Jahren noch hatte Lukaschenko Proteste mit aller Härte niederknüppeln lassen. Ein Zeltlager nach Vorbild der „orangen Revolution“ in der Ukraine auf dem Minsker Oktoberplatz wurde kurzerhand aufgelöst, die zumeist jugendlichen Demonstranten zu Dutzenden ins Gefängnis gesteckt. In zähen Verhandlungen erreichte Brüssel jedoch vor den Parlamentswahlen 2008 eine Amnestie für Lukaschenkos politische Häftlinge. Statt der jahrelangen Isolation versucht die EU seither den Dialog mit dem Regime. Dies gelingt halbwegs, seit auch Moskau den Druck auf Minsk erhöht hat. Russische Lieferstopps für Gas und Öl haben Minsk näher an die EU getrieben.

Aleksander Lukaschenko allerdings laviert gekonnt. Noch im Sommer hatte der Kreml weißrussische Oppositionelle nach Moskau eingeladen; doch vor zehn Tagen dann empfing Russlands Präsident Dmitri Medwedew seinen geschwächten Amtskollegen Lukaschenko in Moskau. Seitdem hat der Druck auf Aktivisten der demokratischen Opposition erneut zugenommen. Kritische Onlinejournalisten wurden vorgeladen, Jugendaktivisten wieder kurzzeitig festgenommen.

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