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Politik: Lula, die Zweite

Brasiliens Präsident sichert sich eine weitere Amtszeit – sein Charisma überzeugt die Armen

Wenige Tage nach seinem 61. Geburtstag hat sich für Luiz Inacio Lula da Silva der Traum von einer zweiten Amtszeit erfüllt. Schon am frühen Abend stand der ehemalige Arbeiterführer mit fast 61 Prozent als Sieger der Stichwahl fest und ließ von mehreren tausend Anhängern seinen Triumph im Herzen der Industriemetropole Sao Paolo ausgiebig feiern.

„Dies ist ein magischer Augenblick für Brasiliens Demokratie“, sagte Lula in einer ersten Reaktion und versprach, das Schwellenland Brasilien in die erste Welt zu führen. „Der Grundstein dafür ist gelegt, jetzt müssen wir hart arbeiten“, mahnte er und versicherte den Armen, dass sie auch weiterhin Priorität genössen. Außerdem wolle er sich noch stärker für die lateinamerikanische Integration stark machen.

Bei der Stimmabgabe rief der Staatschef die Parteien in versöhnlichem Ton zu einer „großen Allianz“ auf, um die für Brasilien zukunftsweisenden Projekte und Reformen auf den Weg zu bringen. „Unser gemeinsamer Gegner ist nun die soziale Ungerechtigkeit“, betonte er. Sein Herausforderer Geraldo Alckmin gratulierte telefonisch zum Sieg. Der konservative Bürgerliche von der Sozialdemokratischen Partei (PSDB) und Ex-Gouverneur von Sao Paolo kam auf 39 Prozent.

Wie schon 2002 musste Lula in die Stichwahl – ein Hinweis darauf, dass viele der Wähler mit seiner liberal-konservativen Wirtschaftspolitik doch eher unzufrieden sind und den Amtsinhaber für die Korruptionsskandale in den Reihen seiner Arbeiterpartei (PT) abstrafen wollten.

Letztlich siegten aber doch Lulas Charisma und seine Volksnähe über den trockenen, wenig Neuerungen versprechenden Technokraten Alckmin – einen typischen Vertreter der brasilianischen Oberschicht. Lulas Stärke waren die Armen, die von seinen Sozialhilfeprogrammen profitieren. Und selbst die enttäuschten Basisorganisationen – darunter Befreiungstheologen, Landlose und Menschenrechtsaktivisten – gaben dem ehemaligen Gewerkschaftsführer trotz aller Kritik letztlich den Vorzug. „Lula ist kohärenter als Alckmin, man konnte ihm keine persönliche Verwicklung in die Korruptionsskandale nachweisen, und die wirtschaftliche Situation Brasiliens ist gut“, zählt der politische Beobachter Alexandre Barros die Gründe für den klaren Sieg des bisherigen Amtsinhabers auf.

Lula tritt am 1. Januar 2007 sein Amt an und wird Brasilien bis 2010 regieren. Wie er seine zweite und verfassungsgemäß letzte Amtsperiode gestalten wird, ist noch offen. Nur wenige glauben an einen Linksruck, die meisten Analysten rechnen mit Kontinuität, da Lula im Kongress auf Bündnisse mit den Altparteien angewiesen ist. „Die zweite Amtszeit wird schwieriger, denn der Enthusiasmus von 2002 ist verflogen. Jetzt muss Lula viel schachern“, glaubt David Fleischer von der Universität in Brasilia. Erfahrungsgemäß nehmen die Verschleißerscheinungen in der zweiten Amtsperiode zu. Außerdem schwebt ein drohendes Amtsenthebungsverfahren wie ein Damoklesschwert über dem ehemaligen Gewerkschaftsführer, da die Justiz derzeit gegen PT-Sympathisanten ermittelt, die im Wahlkampf angeblich für umgerechnet 800 000 Dollar belastendes Material gegen Alckmin kaufen wollten. Die Frage ist, ob Lula davon wusste und ob das Geld aus der Wahlkampfkasse stammt.

Wirtschaftspolitisch dürfte die Regierung die Zügel lockern. Priorität hat nach Worten eines Mitarbeiters nun das Wirtschaftswachstum. Hohe Zinsen und eine starke Währung belasteten in den vergangenen Jahren den Produktionssektor, der 2005 nur um 2,3 Prozent wuchs. Für die kommenden Jahre seien fünf Prozent Wirtschaftswachstum angepeilt, sagte der Minister für Institutionelle Beziehungen – eine Art Regierungschef – Tarso Genro.

Sandra Weiß[Caracas]

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