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Lutherpreis für Pussy Riot?: Die unerschrockene Punk Band

Die Stadt Wittenberg will die Punkband Pussy Riot mit dem Lutherpreis auszeichnen. Damit ist die Diskussion um Meinungsfreiheit und Gotteslästerung neu entfacht: Sind die Musikerinnen preiswürdig - oder doch geschmacklos?

Von
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Die Verurteilung der russischen Punkband Pussy Riot wegen eines Auftritts im zentralen Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau sorgt auch in Deutschland seit Monaten für heftige Kritik an Präsident Wladimir Putin. Die Aktion der jungen Frauen wurde als mutige Freiheitsaktion gegen das russische Regime und die Strafe als unangemessen hart empfunden. Zahlreiche Proteste unterstützten die Punkerinnen hierzulande.

Seit sich der Bürgermeister der Lutherstadt Wittenberg, Eckhard Naumann (SPD), jedoch entschlossen hat, die jungen Frauen mit dem alljährlich zu vergebenden Lutherpreis „Das unerschrockene Wort“ zu ehren, bekommt die Diskussion eine neue Richtung. Auf einmal geht es um Gotteslästerung und religiöse Gefühle und damit, wenn man so will, im Entfernten auch um die Frage, wie weit freiheitliche Meinungsäußerung gehen darf.

Den Auftakt zur Kritik machte der Friedenspreisträger und evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer. Ein „verheerendes Zeichen“ wäre es, hatte der Wittenberger Schorlemmer diese Woche gesagt, sollte die Band ausgezeichnet werden. Dabei gehe es ihm gar nicht um die Kritik an sich. Sie müsse erlaubt sein. Allerdings sei „die Art und der Ort nicht preiswürdig“.

Pussy Riot hatten ein „Punk-Gebet“ gesungen, in dem auch die russische Kirche heftig attackiert wurde, und zwar in einem Teil der Christ-Erlöser-Kathedrale, der dem ungebetenen Zutritt von Privatpersonen untersagt ist. Für Schorlemmer ist das „geschmacklos, verletzend und kontraproduktiv“. Pussy Riot treffe damit nicht den russischen Präsidenten Putin oder Kyrill, den Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, sondern verletze die Gefühle der Gläubigen, betonte er.

Eine Sichtweise, der sich nicht nur der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), angeschlossen hat. Auch im Wittenberger Stadtrat hat die Sache mittlerweile zu Turbulenzen geführt. Die CDU-Fraktion und die „Allianz der Bürger“ haben ihre Unterstützung für die Nominierung zurückgezogen. Bürgermeister Naumann wird auch aus dem Kreis der 16 Lutherstädte, die den Preis gemeinsam vergeben, ein Rückzug der Aufsehen erregenden Nominierung nahegelegt.

Für den ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner (SPD), sieht die Sache anders aus. Höppner war jahrelang in der Führung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen tätig und auch Präses der Synode; noch heute sitzt er im Vorstand der Evangelischen Akademie in Wittenberg. Und er sagt nun, gerade aus der Erinnerung der Bürgerrechtsbewegung in den letzten Jahren der DDR sollte man gelernt haben, dass „politischer Protest in einem Gotteshaus möglich sein muss“.

Ob die Punkband wirklich eine politische Botschaft aussenden wollte, die sie für den Preis „Das unerschrockene Wort“ preiswürdig macht oder vielleicht doch nur mit einer möglichst spektakulären Aktion auf sich selbst habe aufmerksam machen wollen, darüber will sich Höppner kein Urteil anmaßen. Aber mit Gotteslästerung, wie sie einige Politiker nun den Musikerinnen vorwerfen, habe die Sache nichts zu tun.

Und auch Cornelia Pieper (FDP), sachsen-anhaltinische Politikerin und im Augenblick Staatsministerin im Auswärtigen Amt, spricht von einer „mutigen und fortschrittlichen Entscheidung“, die der Stadtrat von Wittenberg gefasst habe. Es sei gut, dass dieser Preis für die Zivilcourage an die drei jungen Frauen vergeben werden soll, sagt Pieper. Auch Martin Luther sei schließlich in Kirchen aufgetreten, als er die Reformation begann und gegen die katholische Kirche predigte. Und niemand solle vergessen: Auch die Montagsdemonstrationen in der DDR begannen in Kirchen.

Anfang November wollen sich die Vertreter der Lutherstädte treffen und entscheiden. Der Preis, zu dem ein Preisgeld von 10 000 Euro gehört, soll im nächsten Frühjahr vergeben werden. Bis dahin allerdings müssen die Punkerinnen noch um ihre Nominierung bangen. Denn vom Wittenberger Rathaus kann man direkt auf Luther heruntersehen. Und mancher Bürgervertreter findet, die frechen Moskauerinnen seien vielleicht doch nicht der passende Anlass, um des alten Herrn zu gedenken.

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