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Unter dem Schutz der UN. Rund 20 000 Menschen sind seit dem Beginn der Kämpfe in der Hauptstadt Juba auf das Gelände der Blauhelmtruppe geflüchtet. Das öffentliche Leben ist zusammengebrochen. Die USA evakuieren ihre Botschaft.

© dpa

Update

Machtkampf im Südsudan: Blutige Unruhen in Juba fordern hunderte Tote

Präsident Salva Kiir spricht von Putschversuch, sein Ex-Stellvertreter Riek Machal bestreitet das. Seit Beginn der Kämpfe sind mehrere hundert Menschen in Juba gestorben.

Im Südsudan ist der politische Machtkampf zwischen dem Präsidenten Salva Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung geworden. Nach der Ausweitung der schweren Unruhen im Südsudan bringen immer mehr westliche Länder ihre Bürger in Sicherheit. Am frühen Donnerstagmorgen kündigte Großbritannien die Einrichtung einer Luftbrücke an, wie der BBC unter Berufung auf das Außenministerium in London berichtete. Zuvor schon hatten die USA am Mittwoch begonnen, Landsleute aus dem afrikanischen Krisenland auszufliegen. Nach einem Bericht der Deutschen Welle (DW) wurden auch etwa 160 Deutsche aus dem Land gebracht, darunter drei DW-Mitarbeiter. Nach einem Zeitungsbericht sitzt jedoch ein deutscher General im Südsudan fest. Zuletzt haben sich im Südsudan die schweren Unruhen von der Hauptstadt Juba auf andere Landesteile ausgeweitet. Mehrere Hundert Menschen sollen in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen sein, weitere 300 wurden nach Angaben des Roten Kreuzes in Krankenhäusern behandelt.

Seit Sonntag sind nach Angaben der Vereinten Nationen zwischen 400 und 500 Menschen bei Kämpfen getötet worden. Rund 20 000 Menschen haben sich seither auf das Gelände der UN-Blauhelmtruppe Unmiss in Juba geflüchtet. Am Mittwoch hat die südsudanesische Armee offenbar die Kontrolle über die Provinzhauptstadt Bor verloren. Die Provinz Jonglei, in der Bor liegt, ist seit dem Bürgerkrieg nie vollständig zur Ruhe gekommen.

Der Südsudan ist erst seit 2011 unabhängig von Khartum

Der jüngste Staat der Welt wurde erst im Juli 2011 unabhängig. Dem war ein mehr als 20 Jahre dauernder Bürgerkrieg mit dem Nordsudan und fünf Jahre Übergangszeit – gestützt durch einen Friedensvertrag – vorausgegangen. Während dieser Zeit ist es den südsudanesischen Rebellen, deren Partei SPML mehr als 90 Prozent der Sitze im Parlament innehat und deren bewaffneter Arm SPLA inzwischen identisch mit der Armee ist, kaum gelungen, staatliche Strukturen aufzubauen. Die ersten zwei Jahre der Unabhängigkeit sind turbulent verlaufen. Da viele Detailfragen zwischen den beiden sudanesischen Staaten ungeklärt sind, kommt es immer wieder zu Konflikten. Im April 2012 bombardierten südsudanesische Truppen das nordsudanesische Ölfeld Heglig und die dortige Infrastruktur zum Öltransport. Beide Staaten waren daraufhin fast ein Jahr lang nicht mehr in der Lage, Öl zu fördern und zu verkaufen – mit entsprechenden Folgen für die Haushalte. Der Südsudan finanziert sich zu 90 Prozent aus den Öleinnahmen.

Am Sonntag nun kam es zu Gefechten, für die Khartum nicht verantwortlich gemacht werden kann. Am Montagmorgen trat Präsident Salva Kiir, sonst immer im Anzug mit schwarzem Cowboyhut zu sehen, in Militärmontur vor die Kameras. Sein ehemaliger Stellvertreter Riek Machar habe einen „Umsturz“ versucht, der gescheitert sei. Seine Regierung habe die Lage in Juba unter Kontrolle, behauptete Kiir. Im Sommer hatte er seinen damaligen Vizepräsidenten Riek Machar und die gesamte Regierung entlassen, nachdem Machar angekündigt hatte, bei der Präsidentschaftswahl 2015 gegen ihn antreten zu wollen. Am Mittwoch sagte Machar in Interviews mit dem Internetportal „Sudan Tribune“ sowie dem britischen Sender BBC: „Das war kein Staatsstreich.“ Machar beschuldigte Kiir, der am Mittwoch zehn ehemalige Minister verhaften ließ, seine Macht mit „diktatorischen Mitteln“ verteidigen zu wollen. Machar selbst sagte der BBC, er sei noch im Südsudan und habe auch nicht vor, das Land zu verlassen. Doch habe er flüchten müssen. „Sie jagen mich.“

Salva Kiir und Riek Machal sind schon lange Rivalen

Die Rivalität zwischen Kiir und Machal reicht bis in die frühen 1990er Jahre zurück. Riek Machal gehört zu den Gründern der Südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLA, Anfang der 1990er Jahre überwarf er sich jedoch mit dem wichtigsten SPLA-Anführer John Garang. Garang war der Auffassung, dass es für den Südsudan am besten wäre, in einer Kooperation bei weitgehender Unabhängigkeit mit dem Norden Sudans verbunden zu bleiben. Machal stritt damals schon für die Unabhängigkeit, wandte sich mit seinen Kämpfern dann aber mit Khartum gegen John Garang. Zehntausende Südsudanesen starben in den Kämpfen zwischen den beiden rivalisierenden Rebellenarmeen. Während der Verhandlungen über den Friedensvertrag von 2005 schloss sich Machal der SPLA wieder an. Nachdem John Garang bei einem Hubschrauberabsturz auf dem Weg von Uganda zurück nach Juba abgestürzt und gestorben war, übernahm Salva Kiir die Führung der Befreiungsbewegung und auch der politischen Partei. Als Kiir zum Präsidenten gewählt wurde, machte er Riek Machal zu seinem Stellvertreter. Umso bemerkenswerter ist es, dass Riek Machal am 6. Dezember mit Rebecca Nyandeng, der Witwe von John Garang, in Juba gemeinsam vor die Presse trat und Salva Kiir "diktatorische Tendenzen" vorwarf.

"Sie können den Südsudan unregierbar machen"

Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sagte der Deutschen Welle, diese Politikergeneration, die so lange im Busch kämpfte, habe sich „auf das besonnen, was sie am besten kann: Konflikte militärisch austragen“. So würde das William Deng Deng nie sagen. Er ist seit 2012 Vorsitzender der südsudanesischen „Demobilisierungskommission“. Vor kurzem hat er bei der KfW-Bank, die das Programm teilweise finanziert, über seine Arbeit im Südsudan berichtet. 40 Prozent der Staatsausgaben fließen nach Auskunft von Deng in den Verteidigungshaushalt. Damals sagte er fast schon prophetisch, die vielen bewaffneten ehemaligen Kämpfer „können den Südsudan leicht unregierbar machen“.

Die vorhergehenden Versuche, den Südsudan zu einer zivileren Gesellschaft zu machen, waren jedenfalls nicht besonders erfolgreich. Statt der im Friedensvertrag zugesagten 90 000 ins zivile Leben entlassenen Kämpfer waren es in den Jahren vor der Unabhängigkeit lediglich 5500 Soldaten, die in einem jahrelangen von den UN finanzierten Programm ihre Waffen abgegeben haben.

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