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In Kairo gingen am Dienstagabend tausende Demonstranten auf die Straße. Auch in anderen Städten Ägyptens kam es zu Krawallen und Schusswechseln zwischen Gegnern und Anhänger von Präsident Mohammed Mursi.

© Reuters

Machtkampf in Ägypten voll entbrannt: Mindestens sieben Tote bei Schießereien

Die Regierung von Ägyptens Präsident Mursi löst sich langsam auf. Mursi selbst ist zunehmend isoliert. Dem 48-Stunden-Ultimatum des Militärs hatte er eine klare Absage erteilt. Die Ausschreitungen erreichten am Dienstagabend einen neuen Höhepunkt. Mindestens sieben Menschen kamen bei Demonstrationen ums Lebens.

Der Machtkampf zwischen Ägyptens Islamisten und der Opposition ist am Dienstagabend voll entbrannt. In mehreren Städten, darunter Alexandria, Beni Suef, Minia und Luxor, kam es zu Krawallen und Schusswechseln zwischen Gegnern und Anhänger von Präsident Mohammed Mursi. Im Kairoer Armenviertel Imbaba, das gegenüber der von vielen Ausländern bewohnten Nilinsel Zamalek liegt, wurden mindestens zwei Menschen getötet. Den ganzen Abend patrouillierten Militärhubschrauber über der Stadt. In der Hauptstadt soll es insgesamt sieben Tote gegeben haben.

Hunderttausende Ägypter demonstrierten unterdessen erneut landesweit für und gegen die Muslimbruderschaft, ohne dass eine der beiden Seiten ein Einlenken erkennen ließ. Die Opposition protestierte auf dem Tahrir-Platz und vor den beiden Präsidentenpalästen Koba und Itthadyya. Die Islamisten versammelten sich in Nasr City sowie auf dem Enahda-Platz vor der Kairoer Universität in Giza, der dreißig Fußminuten vom Tahrir-Platz entfernt liegt. Mursi traf sich mit Armeechef und Verteidigungsminister General Abdel Fattah al-Sissi sowie Regierungschef Hisham Qandil zu einer Krisensitzung, die offenbar ohne Ergebnis auseinander ging.

Die Lage hatte sich bereits am frühen Dienstagmorgen dramatisch zugespitzt, als der islamistische Präsident nach achtstündigen nächtlichen Beratungen mit dem Politbüro der Muslimbruderschaft dem 48-Stunden-Ultimatum des Militärs eine eindeutige Absage erteilte. Das Kommuniqué der Armee sei ihm vor seiner Veröffentlichung „nicht vorgelegt“ worden. Er werde daher nach eigenem Ermessen einen Ausweg aus der Krise suchen, ließ er erklären, während ihm mit Außenminister Kamel Amr das sechste Kabinettsmitglied die Gefolgschaft aufkündigte. Aber auch das Oppositionsbündnis „Nationale Rettungsfront“ ging auf Distanz zur Armeeführung und erklärte, man unterstütze auf keinen Fall einen Militärputsch und vertraue auf die Zusage der Streitkräfte, sich mit ihrem Ultimatum „nicht in die Politik einzumischen“. Die Allianz ernannte Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei zu ihrem alleinigen und autorisierten Verhandlungsführer mit dem Präsidenten.

Die Militärführung hatte einen Tag nach den Massendemonstrationen vom Sonntag gegen Mursi allen politischen Kräften Ägyptens ein Ultimatum bis Mittwoch 17 Uhr gestellt, die Forderungen des Volkes zu erfüllen und „den historischen Umständen gerecht zu werden“. Anderenfalls werde die Armee einen eigenen „Fahrplan für die Zukunft“ vorlegen und durchsetzen. Wie Ägyptens staatliche Nachrichtenagentur Mena meldete, plant der Oberste Militärrat für diesen Fall, die Verfassung außer Kraft zu setzen und das Shura-Parlament aufzulösen sowie einen Interimspräsidenten und eine Übergangsregierung aus Technokraten zu ernennen. Völlig unklar ist jedoch, was die Generäle tun wollen, falls Mursi sich ihrer Militärdekrete widersetzt. In der Kanalstadt Suez hielten nach Informationen des Fernsehsenders Al Jazeera Truppenteile Übungen im Straßenkampf ab.

Gleichzeitig wächst der internationale Druck auf Mursi und seine politischen Kontrahenten. Barack Obama forderte ihn auf, auf die Demonstranten einzugehen. In einem Telefonat habe er den ägyptischen Staatschef daran erinnert, „dass Demokratie mehr bedeutet als Wahlen“, erklärte der US-Präsident. Die USA sind ein wichtiger Verbündeter Ägyptens. Außenminister Guido Westerwelle appellierte an alle politischen Kräfte des Landes, „den Weg des Dialogs, den Weg des Kompromisses zu gehen und Lösungen aus der Krise auf der Basis von demokratischen Grundsätzen zu erarbeiten.“

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