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Politik: Machtkampf in Jugoslawien: Die Opposition stürmt Milosevics Machtzentren

Die bislang größte Demonstration mehrerer hunderttausend Menschen gegen Präsident Milosevic hat Jugoslawien an den Rand des Umsturzes gebracht. Milosevic-Gegner stürmten am Donnerstag das Belgrader Parlament und besetzten mehrere Milosevic-treue Fernsehsender.

Die bislang größte Demonstration mehrerer hunderttausend Menschen gegen Präsident Milosevic hat Jugoslawien an den Rand des Umsturzes gebracht. Milosevic-Gegner stürmten am Donnerstag das Belgrader Parlament und besetzten mehrere Milosevic-treue Fernsehsender. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden mindestens 30 Menschen verrletzt.

Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Vojislav Kostunica rief die Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude zur Ruhe auf und bekräftigte seinen Anspruch auf das höchste Staatsamt. Er berief für den Abend beide Kammern des neugewählten Parlaments ein. Politiker aus aller Welt riefen Milosevic auf, den Sieg seines Herausforderers anzuerkennen und zurückzutreten.

Bei der Erstürmung gerieten ein Teil des Parlamentsgebäudes und der Sitz des Staatsfernsehens in Brand, die Feuerwehr konnte die Flammen erst am Abend löschen. In der Nähe des Parlaments fuhren Räumfahrzeuge auf. Die Demonstranten forderten die Anerkennung des Oppositionssieges bei der Präsidentenwahl vom 24. September. Augenzeugen zufolge schlossen sich zahlreiche Polizisten spontan den Protesten an. Auch die offizielle Nachrichtenagentur Tanjug, bisher Sprachrohr Milosevics, bekannte sich am Abend zur Opposition und nannte Kostunica den gewählten Präsidenten Jugoslawiens. Zuvor hatte es Berichte gegeben, dass Armee-Einheiten nahe Nis den Befehl verweigert hätten, nach Belgrad auszurücken. Der Chef des Wahlkampfbüros der Oppositionsbewegung DOS erklärte am Abend, man stehe in Kontakt mit der Armee. Kostunica sagte in seiner Ansprache an die Demonstranten, die Demokratie habe in Serbien gesiegt. "Wir erleben die letzten Züge des Milosevic-Regimes." Er rief die Protestierenden auf, weiter auf den Straßen zu bleiben. Milosevic sei aus seinem Anwesen in einem Belgrader Vorort geflohen, erklärte Kostunica.

Seit dem Morgen hatten sich aus allen Teilen Serbiens Autokonvois in Richtung Hauptstadt in Bewegung gesetzt. Am Nachmittag lief ein Ultimatum der Opposition an Milosevic ab, doch noch den Wahlsieg des Oppositionkandidaten anzuerkennen. Der Vorsitzende des jugoslawischen Verfassungsgerichts, Milutin Srdic, hatte zuvor eine Neuauflage der Wahl gefordert und war damit auf internationale Kritik gestoßen. Srdic forderte, die neue Präsidentschaftswahl am Ende des derzeitigen Mandats von Milosevic abzuhalten, das im Juli nächsten Jahres ausläuft. Die USA und die Europäische Union kritisierten diese Entscheidung und forderten, den Sieg der Opposition anzuerkennen.

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