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Politik: Machtkampf in Jugoslawien: Putin will nicht von Milosevic abrücken

Russlands Präsident Putin hat die Krise in Jugoslawien überraschend zur Chefsache erklärt. Offenbar in Absprache mit Washington und Berlin hat er den Belgrader Hauptkontrahenten, Präsident Milosevic und Oppositionskandidaten Kostunica, ein Krisengespräch in Moskau vorgeschlagen.

Russlands Präsident Putin hat die Krise in Jugoslawien überraschend zur Chefsache erklärt. Offenbar in Absprache mit Washington und Berlin hat er den Belgrader Hauptkontrahenten, Präsident Milosevic und Oppositionskandidaten Kostunica, ein Krisengespräch in Moskau vorgeschlagen. Nach den Vorstellungen Putins sollten beide noch vor der Stichwahl am kommenden Sonntag, die von der Opposition abgelehnt wird, im Kreml erscheinen.

Für die meisten russischen Blätter schien damit klar, dass Putin mit dieser Formulierung die offiziellen Ergebnisse des ersten Wahlganges in Jugoslawien - den Sieg Kostunicas ohne die notwendige absolute Mehrheit - anerkannt hat. Zuvor schon hatte Putin Kostunica empfohlen, sich "wegen der Legitimität" an die jugoslawischen Gesetze zu halten. "Übersetzt heißt das: Kostunica hat gewonnen, doch muss er sich dem Urteil der Wahlkommission zu einem zweiten Wahlgang beugen", schrieb dazu die "Nowyje Iswestija" am Dienstag. "Denn sonst würde er ebenso zum Thronräuber werden, als der Milosevic zurzeit mit Recht betrachtet wird."

Die liberale "Wedomosti" dagegen sah in dem Schritt Putins eine weitere Favorisierung des bisherigen Machthabers in Belgrad. "Die Erklärung hat ihm (Milosevic) die Kraft zurückgegeben", schrieb das Blatt. Krasser formulierte es "Sewodnja", die in der Einladung eine "Bestätigung der Wahlfälschung" sah.

Das offizielle Moskau hatte lange zu den Ereignissen in Jugoslawien geschwiegen. "Viel zu lange", wie viele Zeitungen in Moskau meinten. Das Wochenblatt "Moscow Journal" erinnerte daran, dass Russland "ein Freund des serbischen Volkes" sei, und dass dieses "jetzt seinen Willen klar ausgedrückt" habe. "Und es ist höchste Zeit, dass Russland die Stimme des serbischen Volkes anerkennt", mahnte das Blatt an. Moskau solle sich hinter die serbische Opposition stellen und "die Absetzung von Milosevic erleichtern". Auch die "Moskowskije Nowosti" empfahl dem Kreml diesen Weg, da dessen Balkan-Diplomatie gescheitert sei. "Die neue Führung, die Milosevic heute oder morgen ablöst, wird sich sicherlich skeptisch gegenüber Russland verhalten und sich in seiner Strategie mehr zum Westen orientieren", warnte das Blatt.

Praktische Probleme im Zusammenhang mit der Einladung Putins an Milosevic und Kostunica sahen sowohl die "Sewodnja" als auch die "Iswestija". Die Kommentatoren erinnerten daran, dass Milosevic auf den Fahndungslisten des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag steht. Da Jugoslawien von Nato-Partnern umgeben sei, könne Milosevic höchstens mit einem Linienflug der Aeroflot "als illegaler Export" nach Moskau gelangen, meinte "Iswestija".

Weiter dachte schon der liberale Reformer Boris Nemzow, der laut über ein Asylland für Milosevic nachdachte. Hatten seine Duma-Kollegen die irakische Hauptstadt Bagdad wegen der Nähe zum "anderen Diktator" Saddam Hussein vorgeschlagen, hielt Nemzow Weißrussland und dessen autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko für ein ideales neues Umfeld für Milosevic. "Alles, nur nicht Russland", schloss sich "Moscow Journal" seinen Überlegungen an.

Günther Chalupa

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