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Zugeknöpft. David Cameron verlangt Gefolgschaft für seinen EU-Kurs. Foto: AFP

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Politik: Machtprobe um Europa

Unterhaus in London entscheidet über Referendum zu EU-Mitgliedschaft Sarkozy beschimpft Cameron wegen seiner Kritik am Krisenmanagement

Wegen der Euro-Krise droht dem britische Premier David Cameron eine Revolte in der eigenen Partei. Viele Abgeordnete der Konservativen wollten am Montagabend für einen Volksentscheid über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union stimmen. Zwar war die Gefahr, dass er die spät am Abend stattfindende Unterhausabstimmung über das EU-Referendum verlieren würde, eher gering. Doch drohte sein Versuch, das Thema Europa auf die lange Bank zu schieben, an der Machtprobe mit seinen Hinterbänklern zu scheitern.

„Cameron nimmt nicht nur seine eigene Partei aufs Korn, sondern das ganze Volk“, warnte der konservative Rebell Bernard Jenkin, nachdem Meinungsumfragen die wachsende EU-Abneigung der Briten bestätigten. Cameron sagte im Unterhaus. „Wenn das Haus der Nachbarn in Flammen steht, läuft man nicht davon.“ Er teile die Ansicht derer, die eine neue Machtverteilung zwischen der EU und Großbritannien wünschten und werde kommende Verhandlungen über eine Integration der 17 Eurozonen-Länder nutzen, Kompetenzen von Brüssel zurück zu fordern.

Die Forderung Deutschlands, schon im Dezember mit Vertragsverhandlungen zu beginnen, schwächt Cameron zusätzlich. Die Regierung argumentierte bisher, es sei „zu früh“ darüber zu spekulieren. Grund für Camerons Zurückhaltung ist, dass die Koalitionspartner Torys und Liberaldemokraten in der Europapolitik gegensätzliche Positionen haben.

Der Ausbruch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beim Gipfel am Sonntag unterstrich die Gefahr, dass Großbritannien durch die Integration der EuroZone Einfluss verliert. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy soll den britischen Premierminister David Cameron wegen Kritik am langsamen Krisenmanagement der EU in der Schuldenkrise scharf zurechtgewiesen haben. Wie französische Zeitungen mit Verweis auf britische Zeitungen berichten, soll Sarkozy genervt und wenig diplomatisch gesagt haben: „Sie haben eine gute Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten.“ Er soll weiter ausgeführt haben: „Wir haben es satt, dass Sie uns kritisieren und sagen, was wir zu tun haben. Sie sagen, Sie hassen den Euro, und jetzt wollen Sie sich in unsere Treffen einmischen.“ Cameron hatte beklagt, dass die Euro-Krise auch eine abkühlende Wirkung auf die britische Wirtschaft habe. „Es ist in unserem Interesse, einen starken und gesunden Euro zu haben“, betonte er. Sarkozy wollte die Briten und die anderen Nicht-Euro-Mitglieder sogar vom EU-Gipfel am Mittwoch ausladen. Doch Cameron setzte sich durch und verschob seine Abreise zum Commonwealth-Gipfel in Perth.

Den Toryrebellen zeigt der Streit, wie brisant die EU-Frage geworden ist. „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, klarzumachen, dass wir neu verhandeln oder austreten wollen“, sagt der Rebell Philip Davies. Nach Meinung seiner Kritiker hätte Cameron bei der Abstimmung auf den Fraktionszwang verzichten können, schon weil Labour und Liberaldemokraten gegen den Antrag stimmen wollten. Der Antrag ging auf eine Petition zurück, die von mehr als 100 000 Briten unterzeichnet wurde. Kurioserweise forderten die Liberaldemokraten selbst in ihrem Wahlprogramm ein EU-Referendum. Sie wollten damit die Legitimität der EU-Mitgliedschaft stärken, die durch eine Serie von versprochenen, aber zurückgezogenen Volksentscheiden untergraben wurde.

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