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Helle Thorning-Schmidt wird die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte ihres Landes. Ihr Macht muss sie in Dänemark jedoch mit starken Koalitionspartnern teilen.

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Update

Machtwechsel in Dänemark: Mittelinks-Bündnis besiegt Rasmussen

Die Dänen haben erstmals seit zehn Jahren mehrheitlich linke Kräfte gewählt. Zum ersten Mal in der dänischen Geschichte wird eine Frau die Regierungsgeschäfte führen.

Bei den Parlamentswahlen in Dänemark haben die oppositionellen Sozialdemokraten mit ihren drei linken Allianzpartnern die seit einem Jahrzehnt regierende Mitte-Rechts-Koalition und deren einwanderungskritische Unterstützer besiegt. Dem Land steht damit eine politische Zäsur bevor. Die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Helle Thorning-Schmidt dürfte die erste Ministerpräsidentin in der Landesgeschichte werden.

Bei den Wahlen zum Folketing erzielte ihre Partei zusammen mit drei weiteren Linksparteien eine komfortable Mehrheit. Thorning-Schmidt verdankt den Erfolg nicht zuletzt dem Zugewinnen bei ihren kleineren Partnern. Alleine waren die Sozialdemokraten nur zweitstärkste Kraft in der Wählergunst. Mit 24,9 Prozent der Stimmen erzielten sie noch 0,6 Prozentpunkte weniger als 2007 und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit mehr als 100 Jahren. Rasmussens rechtsliberale Partei erhielt 26,7 Prozent. Dennoch kommt das Mitte-Links-Lager auf insgesamt 89 Sitze im neuen Folketing, Rasmussens Mitte-Rechts-Lager nur auf 86 Mandate. Die künftige Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt zeigte sich trotz des schlechten Abschneidens ihrer Partei selbstbewusst: „Wir haben es geschafft. Die Sozialdemokraten sind weiter eine große und tragende Kraft in Dänemark.“ Die 44-Jährige kündigte eine Politik der Mitte an, „bei der sich niemand ausgeschlossen fühlen muss“.

Rasmussen gestand noch in der Nacht seine Niederlage ein und kündigte an, am Freitag bei Königin Margrethe II. seinen Rücktritt einzureichen. Trotzdem zieht er eine positive Bilanz seiner Amtszeit. „Wir sind weiter Dänemarks größte Partei, und wir sind stolz darauf“, sagte Rasmussen und fügte hinzu: „Wir geben die Schlüssel ab für ein Land, das die Krise gut gemeistert hat.“

Die Rückkehr an die Macht der Sozialdemokraten, die Dänemark von 1924 bis 2001 nahezu ununterbrochen regiert hatten, stellt für das rund 5,5 Millionen Einwohner zählende skandinavische Land eine bedeutende politische Weichenstellung dar – weg vom strammen Rechtstrend der letzten zehn Jahre. Den Sieg könnte die Sozialdemokratin auch der überdurchschnittlich hohen Wahlbeteiligung von 86,9 Prozent verdanken. Bereits am Vormittag hatten fast ein Drittel mehr Wähler ihre Stimmen abgegeben als in der ersten Hälfte des Wahltages vor vier Jahren. „Vor allem Junge, Einwanderer und Arbeitslose, die sonst nicht wählen, haben sich zusätzlich in die Wahllokale bemüht und begünstigen den Linksblock“, erklärte der Wahlexperte Yosef Bhatti dem Dänischen Rundfunk.

Freilich ist der Sieg von Thorning-Schmidt nicht glänzend. Auch die gemäßigt linken Sozialisten verloren Stimmen und kamen auf 9,2 Prozent. Größer war der Jubel bei zwei weiteren Linksparteien, die Thorning- Schmidts Minderheitskoalition voraussichtlich stützen werden: Die stark linksorientierte Einheitsliste legte deutlich auf 6,7 Prozent zu, auch die linksliberale Radikale Venstre Partei gewann stark hinzu und kommt auf 9,5 Prozent. Beide Parteien gelten als die eigentlichen Wahlsieger. Sie hatten als einzige politische Kräfte im Land eine weitgehende Revidierung der von Thorning-Schmidt grundsätzlich unterstützten, restriktiven Ausländerpolitik der bisherigen Rechtsregierung eingefordert.

Nun muss die dem rechten Flügel ihrer Partei angehörende Thorning-Schmidt mit ihren linken Bündnispartnern einig werden. Die wissen, dass die Sozialdemokratin eine schlechte Verhandlungsposition hat. Denn sollten der Spitzenkandidatin die Koalitionsgespräche nicht glücken, gilt ihr politischer Abgang nach zwei historisch schlechten Parlamentswahlergebnissen als unausweichlich. Regierungschef Rasmussen von der rechtsliberalen Venstre, die sogar leicht zulegte, wird voraussichtlich auch beim Gang in die Opposition das Ruder seiner Partei in der Hand behalten dürfen.

Rasmussens konservative Koalitionspartner kam dagegen unter die Räder, das Ergebnis halbierte sich auf 4,9 Prozent. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die stets mit dem Versprechen punkten konnte, die Einwanderung einzudämmen und die Ausländerpolitik im Inland zu verschärfen, musste Verluste hinnehmen und kam auf 12,3 Prozent. Angesichts der massiven Wirtschaftskrise im Land, das seit der bürgerlichen Machtübernahme 2001 nahezu Vollbeschäftigung hatte, interessierte die Wähler die Krisenbewältigung mehr als die Ausländerpolitik. Da zog auch die Volkspartei- Forderung nach Pfefferspray für alle Älteren gegen vermeintlich ausländische Kriminelle nicht mehr. Angesichts des Endes der wirtschaftlichen Blütezeit wollte das Volk wieder mehr Staat und mehr Sicherheit. Das versprach Thorning-Schmidt anscheinend am glaubwürdigsten. (mit dpa)

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