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Neuer Stil. Der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière (rechts) will sich bei seiner Personalpolitik anders als sein Amtsvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg nicht von der „Bild“-Zeitung treiben lassen. Foto: Clemens Bilan/dapd

© dapd

Politik: Märtyrer leben länger

Bei der CSU fällt inzwischen kein böses Wort mehr über den ehemaligen Verteidigungsminister – aus Sorge um die Umfragewerte

Von Robert Birnbaum

Berlin - Was der Chef kann, wird sich Thomas Goppel gedacht haben, das kann ich auch. Schade nur für ihn, dass er nicht halb so clever ist. Am Donnerstag hat Horst Seehofer angefangen, der Schwesterpartei CDU in erbostem Ton mangelnde Solidarität mit dem gefallenen Karl-Theodor zu Guttenberg vorzuwerfen. Seehofer hat es dabei besonders die Forschungsministerin und CDU-Vizevorsitzende Annette Schavan angetan, die sich öffentlich für Guttenbergs Doktorarbeit-Plagiat geschämt hatte.

Goppel, der in Bayern selbst mal Wissenschaftsminister war, will da nicht nachstehen: Es sei schäbig, sich auf Kosten eines politischen Freundes profilieren zu wollen, zitiert ihn die „Rheinische Post“, und weiter: Der Unions-Familiengedanke werde von „den führenden Figuren“ nicht mehr praktiziert. Das stimmt. Goppel ist der lebende Beweis. Kurz bevor Parteifreund Guttenberg abdankte, hatte Goppel mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesprochen. Die Zahl der Kritiker auch in der Union werde größer, gab er da zu Protokoll und dem kippenden Verteidigungsminister den bösen Rat: „Er muss wissen, was er uns zumuten kann.“

So viel zur Unterstützung auf Oberbayerisch. Andererseits muss man Goppel nachgerade dankbar sein für den Einblick ins christsoziale Familienverständnis. Denn der Ex-Generalsekretär ist nicht der Einzige, der im Nachhinein immer schon ein Fürsprecher des Gestrauchelten war. Und selbst die aufrichtigen KT- Unterstützer treibt bei ihren Wutattacken auf die CDU weniger der Familienfriede um als die Angst, dass mit dem Hoffnungsträger der Aufschwung der CSU in den Umfragen dahinschwindet.

Und so arbeiten die Bayern daran, ihren Karl-Theodor zum Säulenheiligen zu erheben. Den kann man dann gut anbeten, ohne dass er den Irdischen ins Geschäft pfuscht. Zum Heiligen passt gut die Legende vom Märtyrertod – Strauß- Tochter Monika Hohlmeier äußert den Verdacht, dass Schavan sich mit Billigung der Kanzlerin geschämt habe. Die Billigung im Nachhinein hat sie jedenfalls: Angela Merkel werde Schavan nicht rügen, sagt der Regierungssprecher.

Zum nützlichen Säulenheiligen gehört ferner die Hoffnung der Gläubigen, dass der Verehrte von seiner Säule irgendwann einmal wieder hinabsteigen wird. An diesem Teil der erbaulichen Erzählung schreibt selbst die Kanzlerin mit: „Die Türen zur Politik sind ihm aus meiner Sicht nicht verschlossen“, sagt die CDU-Chefin den „Stuttgarter Nachrichten“. Das Blatt erscheint in Baden-Württemberg, wo die CDU in drei Wochen dringend darauf angewiesen ist, auch enttäuschte KT-Fans zu halten. Merkel verteidigt zugleich ihre Spaltung Guttenbergs in miesen Wissenschaftler und guten Politiker: Sie habe abgewogen zwischen Fehlern und Leistungen und sei zum Schluss gekommen, dass der „hochbegabte Politiker ... weiter ein guter Minister hätte sein können“.

Guttenberg selbst unternimmt das Seine zur Beförderung seiner weltlichen Heiligsprechung. Den heimischen Franken hat er schon angekündigt, dass er aus dem eigenen – familienbedingt millionenschweren – Portemonnaie ein Bürgerbüro zahlen will, das die gleiche Lebenshilfe bieten soll wie das des nunmehr Ex-Abgeordneten. Am Donnerstag wird bekannt, dass er sein Minister-Übergangsgeld den Hinterbliebenen der im Einsatz gefallenen Soldaten spendet. Das ist eine noble Geste, die indes erst so richtig nobel wäre, stünde sie nicht gleich wieder in der „Bild“-Zeitung zu lesen.

Nur einer macht das Spiel nicht mit. Der Protestant Thomas de Maizière, Guttenbergs Nachfolger im Amt, hat dort kurz schon mal das sachliche Fundament der Lobeshymnen auf den Großreformer überprüft. Dass er den Sockel für hohl hält, lässt der Christdemokrat gleich im ersten Tagesbefehl durchblicken. Guttenberg habe für die Bundeswehr viel erreicht: „Er hat die Besonderheiten des soldatischen Dienens, die mit Auslandseinsätzen verbundenen Gefährdungen und die Bundeswehr insgesamt stark in das öffentliche Bewusstsein gerückt.“ Was die „begonnene“ Bundeswehrreform angeht, behält sich der Neue aber eine „gründliche Lagefeststellung“ vor. „Ich weiß um die Dringlichkeit, dennoch: Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche.“

Das ist ein deutliches Signal ins neue Haus und in die Truppe hinein; so wie die letzten Sätze: „Ich erwarte, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Sie können sich auf mich verlassen.“ Will sagen: Ich entlasse keinen Generalinspekteur und keinen Kapitän auf „Bild“-Geschichten hin. Aus besseren Gründen schon. In den einstweiligen Ruhestand muss Staatssekretär Walther Otremba. Der Vertraute Guttenbergs noch aus dessen Zeit als Wirtschaftsminister hat zuletzt das Konzept zum Umbau des Verteidigungsministeriums geschrieben. Klarer kann de Maizière nicht zeigen, was er davon hält.

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