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Autonome haben in Mailand gegen die Expo 2015 protestiert und Barrikaden errichtet.

© AFP

Mailand: Krawalle zum Auftakt der Expo 2015

Die Weltausstellung in Mailand ist eröffnet. Zum Auftakt der Expo 2015 randalierten sogenannte Antagonisten in der Straßen der Stadt, errichteten Barrikaden und zündeten Autos an. Bei der Expo selber geht es um Ernährung, Überfluss, Verschwendung und Hunger.

Es dürfte der erste Maifeiertag gewesen sein, an dem die sonst so mächtigen Gewerkschaften Italiens nichts zu melden hatten. Den Wettbewerb um die Schlagzeilen trugen andere aus: Das offizielle Italien, das – mit Regierungschef, päpstlicher Grußbotschaft und auf Anhieb 200.000 Besuchern – die „Expo 2015“ in Mailand eröffnete, und jene schwarz Vermummten, die von den Medien gemeinhin als „Antagonisten“ zusammengefasst werden, weil sie immer irgendwie gegen alles sind, und die an diesem Freitag eine Spur der Verwüstung durch die norditalienische Finanz- und Industriemetropole zogen.

Die gewalttätigen und feurigen Randale waren erwartet worden; die termingerechte Fertigstellung des Expo-Geländes schon weit weniger. „Noch vor einem Jahr hätte niemand darauf gewettet, dass die Weltausstellung überhaupt zustande kommen würde“, sagt Raffaele Cantone. Früher war er Antimafia-Staatsanwalt, heute ist er Spezialbeauftragter der Regierung gegen die Korruption – und gerade beim Expogelände, diesem hundert Fußballfelder großen Areal im Nordwesten von Mailand, wo in Pavillons und Infrastruktur mehr als zwei Milliarden Euro zu investieren waren, fehlten auch die beiden Grundübel Italiens nicht; sie verzögerten die Baumaßnahmen erheblich. Umso selbstbewusster klang denn auch die Hauptbotschaft von Regierungschef Matteo Renzi bei der Eröffnung: „Alle sagen, Italien schafft so etwas nicht. Aber wir haben’s geschafft!“

Thema ist die Lebensmittelvielfalt

145 Staaten sind nun in Mailand für die nächsten sechs Monate zu Gast, mit 54 Länderpavillons – auch das registriert Italien mit Genugtuung – liegt man „um 20 Prozent über Shanghai 2010“. Bis Ende Oktober werden 20 Millionen Besucher erwartet, davon sieben bis acht Millionen aus dem Ausland. Elf Millionen Tickets sind angeblich bereits verkauft; ab 24 Millionen käme die Schau ohne finanzielles Defizit davon. Flankiert wird die Schau durch etwa 22.000 Kulturveranstaltungen allein in Mailand und Umgebung.

Thema der Expo 2015 ist die Welternährung und in diesem Rahmen die Lebensmittelvielfalt ebenso wie die Sicherheit und die Nachhaltigkeit der globalen Versorgung mit Nahrungsmitteln. Wenn das Motto „Den Planeten ernähren – Energie für das Leben“ nicht nur Slogan  bleiben solle, so forderte Papst Franziskus in einer live eingespielten Grußadresse aus dem Vatikan, dann müssten „die Armen und die Personen in der Welt, die heute nichts Menschenwürdiges zu essen haben, auf der Expo ein Gesicht bekommen.“ Im selben Sinne, in dem Franziskus das “Paradox des Überflusses und der Verschwendung” geißelte, bezeichnete es auch Italiens Regierungschef Matteo Renzi als „unakzeptabel, dass auf der Welt eine Milliarde Menschen hungern, während eine andere Milliarde an den Folgen einer Übersättigung leiden.“

In den 54 Länder- und neun Sammel-Pavillons werden etwa 140 Restaurants für die Verpflegung von bis zu 250.000 Besuchern am Tag sorgen; hinzu kommen Verpflegungsstände auch privater Unternehmer, darunter in vorderster Linie McDonalds, dazu die italienische Großbrauerei Moretti – sensiblerweise zwischen den Pavillons der islamisch geprägten Länder Qatar und Marokko platziert –, aber auch die italienische „Slowfood“-Bewegung. Jede Nacht – so die Expoleitung – stehe man vor der “gewaltigen logistischen Aufgabe”, 450 Tonnen neuer Lebensmittel heranzuschaffen. An Abfall erwarten die Organisatoren jeden Tag 120 bis 130 Tonnen. Die Pavillons selbst sollen laut Bauvorschriften als Modelle für Nachhaltigkeit dienen; so müssen 80 Prozent der eingesetzten Materialien wiederverwertbar sein.

Zusätzliche Polizeikräfte

Mit gewisser Anspannung blickt man in Mailand auf den Aspekt der Sicherheit für die Expo und ihre Besucher. Die Regierung hat für die Dauer der Expo 3700 zusätzliche Polizeikräfte nach Mailand abkommandiert; hunderte von Sicherheitsleute in Zivil sollen auf dem Gelände selbst unterwegs sein. Anschlagspotenzial sieht man nicht nur in islamistischen Zellen, sondern auch in einheimischen Protestbewegungen – beispielsweise bei den immer wieder gewalttätigen Gegnern der Schnellbahn-Linie zwischen Turin und dem französischen Lyon.

Von der Expo erwartet sich der große Lebensmittelexporteur Italien – an der Weltspitze zum Beispiel bei Wein, Kaffee, Pasta, Olivenöl – eine neue, weltweite Sichtbarkeit und eine „Kehrtwende“ in seiner noch immer nicht beendeten Gesamt-Wirtschaftskrise. Regierungschef Renzi sagt: „Heute beginnt das Morgen.” Und vor lauter Zuversicht haben die Organisatoren eigens zur Expo-Eröffnung sogar den Text der Nationalhymne geändert. Im typischen Revolutions- und Reichseinigungs-Pathos des frühen neunzehnten Jahrhunderts geschrieben, heißt es dort normalerweise: „Schließen wir uns zum Kampf zusammen, Italien ruft, wir sind bereit, für das Land zu sterben.“ Der Expo-Chor hingegen endete: “Siam’ pronti alla vita – wir sind bereit zu leben.” Und das „leben“ sang er besonders kräftig, damit den revolutionären Akzent von heute auch alle mitbekamen.

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