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Mohamed Nasheed hat den Machtkampf mit seinem Vorgänger verloren.

© dpa

Malediven: Erster demokratisch gewählter Präsident gestürzt

Mohamed Nasheed war 2008 auf demokratischem Weg ins Amt gekommen - nach 30 Jahren Diktatur. Er scheiterte offenbar an einer Machtprobe mit seinem Vorgänger.

Er war der erste Präsident der Malediven, der demokratisch gewählt wurde. Doch wochenlange Proteste und eine Revolte der Polizei haben Mohamed Nasheed nun zum Rücktritt gezwungen. „Ich trete lieber zurück, als Gewalt gegen mein Volk anzuwenden“, sagte der 44-Jährige, der seit November 2008 das bei Urlaubern beliebte Inselreich regiert hatte, in einer Fernsehansprache. Er hoffe, so das Land zu stabilisieren und Blutvergießen zu vermeiden. Mitarbeiter Nasheeds sprachen von einem „Putsch“. Die Revolte der Polizei sei orchestriert gewesen, man habe Nasheed zum Rücktritt gezwungen. Er werde gegen seinen Willen vom Militär im Präsidentenpalast festgehalten, sagte sein Bruder dem britischen Nachrichtensender BBC.

Der bisherige Vizepräsident Mohammed Waheed Hassan übernahm am Dienstag die Amtsgeschäfte. Er soll bis zum offiziellen Ablauf der Amtsperiode Ende 2013 im Amt bleiben. Die Spannungen in dem Inselreich eskalieren, seit Nasheed Mitte Januar einen Richter festnehmen ließ, weil dieser die Freilassung eines Regierungskritikers angeordnet hatte, der einen Tag ohne Anklage festgehalten worden war. Daraufhin kam es zu Protesten der Opposition. Am Dienstag schlossen sich meuternde Polizisten den Demonstranten an und stürmten das Staatsfernsehen.

Nasheed war 2008 zum Staats- und Regierungspräsidenten gewählt worden. Er löste Maumoon Abdul Gayoom ab, der die Inselkette und ihre knapp 400 000 Einwohner mehr als 30 Jahre mit eiserner Faust regiert hatte. Nasheed, der die Maledivische Demokratische Partei (MDP) führt, zählte zu den Opfern von Gayooms brutalem Regime. Er wurde 27-mal verhaftet und verbrachte fast sechs Jahre im Gefängnis und wurde gefoltert, weil er für Demokratie kämpfte.

Der Hoffnungsträger scheiterte nun offenbar an einer Machtprobe mit seinem Vorgänger Gayoom. Dessen Gefolgsleute sitzen vielerorts weiter an den Schalthebeln der Macht und hatten seit Monaten die Regierung teilweise lahmgelegt. Der Konflikt eskalierte vollends, als Nasheed am 16. Januar den Chefrichter des Strafgerichts, Abdulla Mohamed, von der Armee festnehmen ließ. Nasheed warf dem Richter vor, ein Scherge Gayooms zu sein. Daraufhin trommelte die Opposition zu Straßenprotesten. Man warf nun Nasheed vor, sich wie ein Diktator zu benehmen.

Die politische Krise begann eigentlich schon 2010, als Nasheed bei den Parlamentswahlen die Mehrheit verlor. Seither musste er gegen eine Opposition anregieren, die zwar zerstritten war, aber im Parlament die Mehrheit hatte. 2010 war schon einmal die Regierung nahezu geschlossen zurückgetreten. Damals gelang es Nasheed noch, genügend Maledivier zu seiner Unterstützung auf den Straßen zu mobilisieren. Doch dann legte sich Nasheed nicht nur mit dem umstrittenen Richter Mohamed sondern dem gesamten Rechtssystem des Inselstaates an. Von den etwa 170 Richtern der Malediven haben weniger als fünf eine formale Qualifikation als Rechtsanwälte. Die meisten sind Scharia-Richter. Abgesehen davon waren sie allesamt von Nasheeds Vorgänger Gayoom ernannt worden. Auf den Malediven gibt es allerdings keine Universität, auf der Rechtsanwälte und Richter weiter hätten qualifiziert werden können. Bis vor wenigen Tagen sah sich Nasheed zwei Oppositionsbewegungen gegenüber. Auf der einen Seite die muslimischen Traditionalisten, die sich am Alkoholkonsum von Touristen und Frauen im Bikini stören. Auf der anderen Seite die Anhänger des alten Diktators Gayoom, der einen neue Partei mit dem klingenden Namen Progressive Partei der Malediven (PPM). Da die Armee überwiegend loyal zum Präsidenten stand, die Polizei jedoch nicht, hatte Nasheed in seiner Not die Armee den umstrittenen Richter Abdulla Mohamed festnehmen lassen - und damit die Verfassung gebrochen. Gayooms PPM hat schon im vergangenen Jahr intensiven Kontakt zu Nasheeds Nachfolger Mohammed Waheed Hassan aufgenommen und bereits öffentlich erklärt, ihn unterstützen zu wollen. Ob der Weg der jungen Demokratie zu freien Wahlen oder wieder zurück in die Diktatur führt, ist offen.

Jedes Jahr besuchen etwa 900 000 Touristen das Inselreich. Zwar riet das Auswärtige Amt am Dienstag von Reisen nach Malé ab, doch in die von Arbeitslosigkeit und hoher Drogensucht geplagte Hauptstadt verirren sich Urlauber ohnehin selten. Der Flughafen liegt auf einer Nachbarinsel. "Wir können versichern, dass die derzeitigen Probleme auf den Malediven keinerlei Auswirkung auf Touristen haben werden", sagte Ministeriumssprecherin Eelaaf Zaeem. Das südasiatische Land besteht aus 1190 Inseln, die im Indischen Ozean liegen und von denen nur rund 200 bewohnt sind. Sie sind für ihre Korallen- und Fischvielfalt berühmt und als Reiseziel beliebt. Neben Tourismus ist Fischerei die Haupteinnahmequelle.

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