zum Hauptinhalt

Politik: Malis Islamisten im Visier

UN planen Militäreinsatz im Norden des Landes.

Kapstadt - Seit sechs Monaten befindet sich der Norden des westafrikanischen Wüstenstaates Mali fest in der Hand von Islamisten und ist darüber zu einem der politisch gefährlichsten Gebiete der Welt geworden. Anders als in Afghanistan oder Jemen können sich die Terroristen des nordafrikanischen Ablegers von Al Qaida hier wegen der porösen Grenzen aber auch der nur schwach ausgebildeten staatlichen Strukturen fast völlig frei bewegen. Ihr Territorium reicht von Mauretanien im Nordwesten quer durch den Sahel bis in die nördlichen Bundesstaaten von Nigeria. Vor allem im dünn besiedelten Norden von Mali können die Terroristen unbehelligt Rekruten ausbilden, mit Waffen und Rauschgift handeln aber auch neue Terrorangriffe planen.

Nachdem die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas in den vergangenen Monaten mehrfach erfolglos versucht hatte, den UN-Sicherheitsrat zu einem militärischen Eingreifen im nördlichen Mali zu bewegen, hat sich das Gremium nun einstimmig zu der geforderten Militäroffensive gegen die Islamisten bereit erklärt. Zuvor muss jedoch noch eine weitere Resolution verabschiedet werden, was kaum vor dem Jahresende passieren dürfte. Wie die Rückeroberung der besetzten Gebiete in Nord-Mali aussehen könnte, soll UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bis Ende November mit der Zentralregierung des Landes in Bamako, der Ecowas sowie der Afrikanischen Union (AU) erörtern. Auch die Europäer werden um Unterstützung und die Ausbildung der malischen Streitkräfte gebeten.

Längst haben die Islamisten in den von ihnen übernommenen Gebieten damit begonnen, eigene Machtstrukturen zu etablieren, darunter auch in der Weltkulturstätte Timbuktu. Die Tuareg-Rebellen, die zunächst die Revolte gegen die malische Zentralregierung im Süden angeführt hatten, sind längst von den Islamisten ausgebootet worden. Aus dem internen Machtkampf sind zwei lokale Al- Qaida-Gruppen siegreich hervorgegangen, die sofort eine harte Version des islamischen Rechts, der Scharia, eingeführt haben. Dieben werden demnach Arme und Beine abgehackt, andere Bewohner sind für öffentlichen Alkoholkonsum enthauptet worden. In der UN-Resolution wird zudem auf eklatante Menschenrechtsverletzungen hingewiesen: Zwangsprostitution und Vergewaltigungen seien im Norden inzwischen weitverbreitet, sagte der stellvertretende UN-Generalsekretär für Menschenrechte, Ivan Simonovic. Frauen und Kindersoldaten würden für weniger als tausend Dollar verkauft.

Im Süden des Landes ist zwar inzwischen wieder eine Zivilregierung am Ruder, doch ist Übergangspräsident Dioncounda Traore im Land ausgesprochen unbeliebt. Weitaus mehr Ansehen genießt sein Premier Scheich Modibo Diarra, der auch, anders als der Präsident, einen Militäreinsatz im besetzten Gebiet befürwortet und zu diesem Zweck französische Spezialeinheiten ins Land holen will, was Paris bislang (noch) ablehnt. Die Regierung beharrt zudem darauf, dass Mali ein säkularer Staat bleibt. Niemand vermag derzeit zu sagen, welche Politik die malische Armee verfolgt, die mit ihrem chaotischen Putsch gegen Präsident Amadou Touré im März erst den Vormarsch der Islamisten ermöglichte. Sicher ist nur, dass das bislang in Aussicht gestellte Ecowas-Kontingent von 3500 Soldaten viel zu klein ist, um den Norden des Landes zurückzuerobern. Wolfgang Drechsler

Zur Startseite