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Politik: Man redet wieder

Auf dem Katholikentag diskutiert Kardinal Lehmann mit Hans Küng – erstmals, seit Rom Küng maßregelte

Bevor der 95. Katholikentag in Ulm am Sonntag zu Ende gegangen ist, kam es zu einem Treffen der besonderen Art – das prompt einige Tausend Menschen in seinen Bann zog: Kardinal Karl Lehmann diskutierte öffentlich mit Hans Küng. Zum ersten Mal seit 25 Jahren stehen der deutsche Chefbischof und der Tübinger Kirchenrebell, dem der Vatikan die Lehrerlaubnis entzogen hatte, bei einem Katholikentag gemeinsam auf der Bühne, um miteinander zu reden – natürlich über die Zukunft der Kirche. 6000 Zuhörer sind gekommen, für viele das spektakulärste Ereignis des ansonsten eher flauen Christentreffens.

Die letzten Worte gehen unter in stehenden Ovationen. Die beiden Diskutanten schütteln sich noch einmal die Hand – dann werden sie schier erdrückt von herandrängenden Autogrammjägern. Hans Küng signiert stehend und mit schnellem Strich alles, was ihm gereicht wird – Katholikentagsprogramme, Bücher und sogar Papphocker. Kardinal Karl Lehmann sitzt hinter ihm an einem Tisch und schreibt ein ums andere Mal seinen Namen mit Füller und sorgfältiger Bewegung. So unterschiedlich die beiden sind, der Kontakt zwischen ihnen ist nie abgerissen. Sie kennen sich seit den Studientagen in Rom. Sie duzen sich und mögen sich. Und Lehmann hat natürlich alle Bücher des 1979 von Rom gemaßregelten Küng gelesen.

Im Gespräch zuvor hatte Küng sich denn auch nicht lange mit Floskeln aufgehalten. Als die eigentliche Hürde für eine Reform der Kirche und für die Einheit der Christen geißelte er das päpstliche Amtsverständnis. Das Christentum habe die ersten tausend Jahre seiner Geschichte ohne römischen Zentralismus, Klerikalismus und Zölibatsgesetz gelebt. Viele Probleme, unter denen heute alle leiden, stammten nicht aus der Bibel, sondern aus dem 11. Jahrhundert. Der römischen Kurie warf er vor, sie übe eine Macht aus, die – seit der Kreml untergegangen sei – sonst in der Welt nicht mehr existiere: Gleichschaltung der Bischöfe, Maulkörbe für kritische Theologen, Frauendiskriminierung, Predigtverbot für Laien und Verhinderung der Abendmahlgemeinschaft. Johannes Paul II. würde die Bischöfe behandeln wie Präfekten in der Provinz – „und niemand hat darunter stärker gelitten, als Karl Lehmann“.

Der Angesprochene wand sich. „So Leid tragend bin ich nun auch nicht, sonst wäre ich nicht hier“, erwiderte er lachend, um dann doch in seiner typisch-verklausulierten Art hinzuzufügen: „Ich würde nicht alles zurückweisen, was Hans Küng gesagt hat“. Man könne in Rom zwar durchaus Einspruch erheben und sich zu Wort melden, „aber es ist nicht sicher, ob man tatsächlich gehört wird“. Er verstehe den begreiflichen Ärger, doch insgesamt sei der Spielraum „größer, als wir ihn nutzen“. Das aber war Küng zu wenig. Der Reformstau habe so überhand genommen, dass er von den Bischöfen mehr Courage erwarte. „Wer von denen hat denn den Mut, mal offen zu sagen, dass es so nicht weitergehen kann?“ Das Kirchenschiff sei offensichtlich auf Grund gefahren – „nur wie kriegen wir es wieder flott?“

Um die persönliche Zukunft ging es dann am Schluss, als beide gefragt wurden, was sie dem anderen wünschen. Küng hofft für Lehmann, er möge auf dem nächsten Konklave möglichst viele Gesinnungsgenossen treffen, um einen guten Papst zu wählen – einen Johannes XXIV., reformfreudig wie sein Namensvorgänger, der Initiator des Zweiten Vatikanischen Konzils. Lehmann würdigte Küng als einen Segen für die Kirche, der ohne Zweifel theologisch Bedeutendes geleistet habe. Der entscheidende Satz jedoch, Rom möge den 76-Jährigen nun, am Ende seines Lebens, endlich rehabilitieren, der kam ihm am Samstag nicht über die Lippen.

Am Sonntag dann klang der Katholikentag mit einem Gottesdienst aus. An der Schlussveranstaltung auf dem Festplatz der Donaustadt nahmen rund 26 000 Gläubige teil. Lehmann zeigte sich in seiner Predigt überzeugt, dass der Katholikentag „vielen Menschen Orientierung und Ermutigung“ gebracht hat, auch wenn dies „nicht so leicht messbar und kommunizierbar“ sei. Die abschließende Segensfeier gestalteten erstmals katholische und evangelische Bischöfe gemeinsam. Die evangelische Bischöfin Margot Käßmann lud die Gläubigen zum Evangelischen Kirchentag im Mai nächsten Jahres nach Hannover ein. Lehmann warb für den Weltjugendtag 2005 in Köln, zu dem auch Papst Johannes Paul II. erwartet wird.Meinungsseite

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