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Manfred Weber: "Entscheidungen aus den Hinterzimmern holen"

Der EVP-Fraktionsvize Weber spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Stärkung der Parlamente und die Kompromissbereitschaft der CSU.

Herr Weber, Sie als Europapolitiker müssten über Ihre Partei enttäuscht sein. Schließlich will die CSU möglichst viele Mitspracherechte aus Europa ins nationale Parlament zurückholen.

Es kann kein Mensch ernsthaft etwas dagegen haben, dass wir die Parlamente stärken – Europaparlament und Bundestag. Der Lissabon-Vertrag, den das Bundesverfassungsgericht abgesegnet hat, stärkt das Parlament. Aber die Richter haben festgestellt, dass neben dem EU-Parlament auch der Bundestag mehr Mitspracherechte haben muss. Das ist richtig so.

Ihre Kritiker sehen das anders. Die sagen, die CSU gefährde den Lissabon-Vertrag und blockiere die Verhandlungsmöglichkeiten der Bundesregierung.

In der Problemanalyse sind wir uns doch einig. Es kommt zu oft vor, dass in Deutschland die Brüsseler Entscheidungen in der Öffentlichkeit nicht präsent sind. Wir müssen die Debatte jetzt als Chance erkennen, damit wir Europathemen frühzeitig in Deutschland diskutieren. Klar ist aber auch, dass es kein imperatives Mandat geben darf. Das weiß auch die CSU. Ein Minister, der nach Brüssel fährt, soll zukünftig eine klare Position des Bundestages im Gepäck haben, aber er braucht Handlungsfreiheiten. Diesen Mittelweg zu gehen, ist jetzt Aufgabe im Bundestag.

CSU-Chef Horst Seehofer will das aber offensichtlich enger gefasst sehen.

Dazu besteht kein Dissens. Es gibt klare Vorgaben des Verfassungsgerichts. Wenn Kompetenzen von Berlin nach Brüssel übertragen werden, dann kann es nicht sein, dass es nur durch den zuständigen Minister entschieden wird. Dann muss eine verpflichtende Zustimmung des Bundestags und Bundesrates her. Zentraler Punkt muss sein: die Parlamente als Volksvertretung gegenüber der Exekutive zu stärken. Die Entscheidungen müssen aus den Hinterzimmern herausgeholt und in die Öffentlichkeit gezogen werden. Und Öffentlichkeit heißt: Plenum eines Parlaments. Das steht so auch klipp und klar im CSU-Europa-Wahlprogramm.

Seehofer will es auf einen Machtkampf mit Kanzlerin Angela Merkel ankommen lassen. Mit Ihrer Unterstützung?

Das Grundanliegen der CSU ist absolut berechtigt. CDU und CSU haben 2005 fast wortgleich Anträge im Bundestag gestellt. Ich glaube auch, dass es gelingen wird, Kompromisse zu finden. Auch die CSU ist kompromissbereit – unter einer Voraussetzung: mehr Parlament.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll ein Regierungsprogramm vorlegen. Warum?

Das EU-Parlament will die Zusammenarbeit mit der Kommission politisieren. Das heißt: Bevor wir im September Barroso im Amt bestätigen, wollen wir ein Regierungsprogramm vereinbaren, das die Handschrift der EVP trägt. Uns reicht es nicht aus, nur das Personal abzustimmen. Das Parlament hat die Möglichkeit, einzelne Kommissare abzulehnen. Ich will wissen, was ein für den Binnenmarkt zuständiger Kommissar zur Bankengesetzgebung plant. Ich will wissen, was der Agrarkommissar mit unseren Bauern vorhat. Und ich bin dafür, den Erweiterungskommissar abzuschaffen.

Dass der ehemalige polnische Premier Jerzy Buzek neuer EU-Parlamentspräsident wird, gilt als sicher. Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin möchte Vizepräsidentin werden. Wird sie Erfolg haben?

Frau Koch-Mehrin wird sich von uns kritische Fragen gefallen lassen müssen. Sie hat in der Vergangenheit wenig zur Sache beigetragen, aber so einige Unwahrheiten verbreitet. Sie gilt nicht als besonders kollegial. Die Begeisterung für Koch-Mehrin ist bei der EVP nicht sehr groß.

Das Gespräch führte Lutz Haverkamp.

MANFRED WEBER

ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der EVP-ED-Fraktion im EU-Parlament und

Mitglied im Präsidium und Parteivorstand der CSU.

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