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Politik: Mangelhaft vorbereitet

Von Bas Kast

Viele, die in diesen Tagen in den Himmel blicken und die ersten Schwärme von Zugvögeln sehen, sehen in ihnen nicht mehr nur Boten des Frühlings. Sie sehen Unheilsboten, die eine tödliche Fracht mit sich schleppen könnten: das Vogelgrippevirus H5N1.

Auf Rügen werden Geflügelbestände gekeult. Die Bundeswehr ist vor Ort und errichtet Desinfektionspunkte. Mit allen Mitteln versucht man nun, die Situation „in den Griff“ zu bekommen. Doch das Virus breitet sich weiter aus. Mittlerweile hat es das Festland erreicht. Wie groß ist die Gefahr, die von der Vogelgrippe ausgeht? Ist Deutschland vorbereitet?

Wenn man Rügen als Probefall sieht, als Vorgeschmack dessen, was in Sachen Vogelgrippe noch auf uns zukommen könnte, kommt man um den Schluss nicht herum: Unser Krisenmanagement ist noch suboptimal, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Schon für die Identifizierung des Erregers brauchte man Tage, obwohl für den Erreger H5N1 längst ein Schnelltest zur Verfügung steht. Mit diesem Test lässt sich das Virus binnen Stunden bestimmen. Und wie reagierte man auf die schlechte Nachricht, als man sie dann endlich hatte? Mit sofortigem Einsammeln der toten Tiere, mit wirksamen Absperrungen und Kontrollen? Nein. Tage nach der Meldung lagen überall auf der Insel immer noch Dutzende toter Schwäne herum, die enorme Virenmengen in ihren verwesenden Körpern tragen könnten. Gegen Hilfe vom Bund wehrte man sich mit Händen und Füßen, während Bussarde und Seeadler sich im nahrungsarmen Winter nur allzu gern auf die toten Schwäne stürzen und das infizierte Fleisch in Stücke reißen. Jeder konnte beliebig auf dem infizierten Kot herumtrampeln und beim anschließenden Besuch auf dem Bauernhof das dortige Zuchtgeflügel gefährden. Erst am Wochenende bekamen die Einsatzkräfte der Bundeswehr Zutritt, um den völlig überforderten Behörden auf der Insel zu helfen.

Was also unser Krisenmanagement betrifft, lässt sich noch einiges nachbessern. Und doch heißt das nicht, dass wir besorgt in den Himmel sehen müssen, wann immer Vögel auftauchen. Die Vogelgrippe ist nach wie vor eine Tierseuche. Die Gefahr für den Menschen ist äußerst gering. Es gibt sogar Grund zu vorsichtigem Optimismus. Zwar wurde die Welt immer wieder von Epidemien heimgesucht, die Millionen Todesopfer forderten. Aber wir sind den Erregern nicht wehrlos ausgeliefert. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Wir sind im Umgang mit Tierseuchen besser geworden. Als der Rinderwahn BSE wütete, waren Aufregung und Angst groß – doch die Katastrophe blieb aus. Als 2003 ein naher Verwandter von H5N1, das Influenza-Virus H7N7, in Holland grassierte, kam man glimpflich davon. Auch die Folgen des Lungenvirus Sars hielten sich in Grenzen. Ein entscheidender Grund für das glimpfliche Ende war dabei stets: schnelles Handeln, konsequentes Keulen, rigorose Desinfektionsmaßnahmen.

Daran darf sich nichts ändern. Gerade in den ersten Tagen hat man gegen ein Virus oft noch eine Chance. Ist diese vertan, steigt die Gefahr, dass der Erreger sich festsetzt, wie es H5N1 in vielen Wildvögeln von Asien längst gelungen ist. In der Folge kommt es immer wieder zu Ansteckungen des Zuchtgeflügels, immer wieder muss gekeult werden.

Noch haben wir es „nur“ mit einer Tierseuche zu tun. Aber die Vorbereitungen auf den Ernstfall dürfen nicht nachlassen. Dazu gehört, dass die Impfstoffentwicklung vorangetrieben wird. Dazu gehört auch, dass alle Länder einen Vorrat mit dem so gut wie einzigen Medikament anlegen, das bei einer Übertragung auf den Menschen heute zur Verfügung steht: Tamiflu. Für mindestens 20 Prozent der Bevölkerung, empfehlen die Experten des Robert-Koch-Instituts, sollten die Vorräte reichen. Berlin und viele andere Länder haben nur einen Bruchteil dieser Menge bestellt. Im schlimmsten Fall aber – der hoffentlich nie eintritt – dürfen die Überlebenschancen der Menschen nicht davon abhängen, in welcher Stadt sie wohnen.

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