zum Hauptinhalt

Politik: Mann gegen Mann in Iowa

VORWAHLEN IN DEN USA

Von Malte Lehming

Wenn an Fairness appelliert wird, droht oft ein Gemetzel. Das gilt für den Sport – Die Spiele mögen beginnen! – wie für die Politik. Heute fängt im USBundesstaat Iowa das amerikanische Wahljahr an. Es fällt die erste Vorentscheidung zur Nominierung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Acht Anwärter gibt es. Im Buhlen um die meisten Stimmen fallen sie ärger übereinander als über den Amtsinhaber her. Ist es wichtig, wer gewinnt? Die Pi-mal-Daumen-Weisheit gibt der Opposition in diesem Jahr kaum eine Chance gegen George W. Bush. Falls sich die Lage im Irak stabilisiert, die Wirtschaft weiter auf Touren kommt und nach Saddam Hussein womöglich Osama bin Laden gefasst wird, hat gegen den Republikaner niemand eine Chance, heißt es. Das Nachbeben der Anschläge vom 11. September 2001 habe dem Land einen konservativen Schub gegeben. Können die nächsten Wahlen, deren Ergebnis also festzustehen scheint, da mehr als eine Farce sein?

Bush ist der Favorit, keine Frage. Die Republikaner stehen geschlossen hinter ihm. Er hat Geld wie Heu gesammelt, um im Herbst einen gigantischen Budenzauber für sich entfachen zu können. Gespalten dagegen sind die Demokraten. Zu fast allen drängenden Themen – Irakkrieg, Steuersenkung, Freihandel, Homo-Ehe – reden sie mit tausend Zungen. Vereint sind sie nur im trotzigen Anti-Slogan „Bush muss weg“. Der Angst, die die Republikaner vor dem Terror schüren, setzen sie ihre Wut auf eine Regierung entgegen, die in vielerlei Hinsicht selbst den Konservatismus eines Ronald Reagan in den Schatten stellt. Hinzu kommt das Gefühl, von Bush betrogen worden zu sein. Er, der bei der letzten Wahl weniger Stimmen bekam als Al Gore, der daraufhin versprach, Brücken zu schlagen und moderat zu sein, der nach dem 11. September 2001 Einigkeit, Gemeinschaftssinn und Patriotismus beschwor, hat das Vertrauen, das ihm die Opposition entgegenbrachte, missbraucht. Das nimmt sie ihm übel.

Deshalb steht der Nation ein langer, verletzender Wahlkampf bevor – dessen Ausgang ungewisser ist, als es scheint. In ihrer parteipolitischen Präferenz zerfällt die Bevölkerung immer noch in zwei fast gleich große Lager. Das Land ist in der Mitte geteilt, Ausschläge nach links oder rechts sind marginal. Trotz Mauerfall, Masseneinwanderung und Terrorgefahr: Das 50-zu-50-Volk hat sich gegen äußere Einflüsse immunisiert. Verstärkt hat sich die Polarisierung der beiden Lager, ihre Unversöhnlichkeit. In die Frage, welche die richtige Partei sei, wirken zunehmend Glaube, Dogma und Moral hinein. Ideologisch haben sich beide Lager abgeschottet und radikalisiert. Teile der Demokraten bekennen sich heute so offen zu ihrem Hass auf Bush wie früher die Konservativen im Fall Clinton. Die angestauten Aggressionen werden sich in den nächsten Wochen und Monaten wohl heftig entladen.

Die Tendenz zur Polarisierung wird beschleunigt durch einen veränderten Medienkonsum. Im Talkradio werden Ressentiments geschürt, TV-Krawallsender wie „Fox News“ erzielen Quote nach dem Motto „Immer feste druff“. Was sich als aggressiver Journalismus gebärdet, ist in Wahrheit meist Demagogie. Auch im Internet geht man mit jenen, die anderer Ansicht sind, wenig zimperlich um. So groß wie heute war der Argwohn, mit dem sich die Amerikaner untereinander beäugen, noch nie.

Emotional aufgeladen, parteipolitisch gespalten und ideologisch radikalisiert: So beginnt heute in Iowa das Wahljahr. Überraschend wäre nur, wenn es bis zum November keine Überraschungen gäbe. Der Kampf ums Weiße Haus ist offen. Let the games begin.

-

Zur Startseite