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Foto: AFP

© dapd

Politik: Marathonläufer gegen „Unbesiegbaren“

Der 39-jährige Unternehmersohn Capriles will dem Chavismus in Venezuela bei der Präsidentschaftswahl im November ein Ende machen.

Drei Wochen lag er nach einer neuerlichen Krebs-Operation in Kuba darnieder, am Wochenende kehrte Venezuelas Präsident Hugo Chavez zurück in die Polit-Arena. Und zwar wie gewohnt vollmundig. Unbesiegbar sei er, nicht einmal der Krebs werde ihn niederringen. Vielmehr werde er der „vaterlandsfeindlichen“ Opposition bei der Präsidentschaftswahl im November ein Schlag verpassen, verkündete der 57-Jährige. Dass die Regierung den kompletten Staatsapparat und Millionen von Petrodollars aufbieten wird, um ihre Macht zu verteidigen, das weiß Henrique Capriles. Es ist nicht das erste Mal, dass der 39-Jährige das Regime herausfordert. Er saß im Gefängnis, vor Tagen wurde sein Tross in einem Armenviertel von bewaffneten Sympathisanten der Regierung angegriffen.

Bisher hat Capriles noch keine Wahl verloren, und im Oktober wird er als Einheitskandidat der Opposition versuchen, den 13 Jahren Chavismus ein Ende zu setzen. Er gehört der Zentrumspartei Primero Justicia an und hat den brasilianischen Staatschef Luiz Inacio „Lula“ da Silva zu seinem Vorbild auserkoren. Bekannt wurde Capriles 1999, als er mit 26 Jahren jüngster Parlamentspräsident im Kongress wurde, der kurz darauf von Chavez aufgelöst wurde, im Rahmen einer Verfassungsänderung und der Einberufung von Neuwahlen. Danach wurde er zum Bürgermeister des Hauptstadtdistrikts Baruta gewählt, einer Bastion der Mittel- und Oberschicht.

Einer breiteren Masse bekannt wurde er im Jahr 2004, als Chavez ihn wegen gewalttätiger Ausschreitungen vor der kubanischen Botschaft vier Monate lang ins Gefängnis steckte. In ganz Caracas prangten Plakate, die die Freilassung des gut aussehenden jungen Mannes forderten. Sein Mut, dem Haftbefehl zu trotzen und nicht ins Ausland zu fliehen wie andere Regimegegner, brachte ihm Respekt ein.

Beim folgenden Gerichtsverfahren schließlich konnte Capriles nichts nachgewiesen werden. Es wurde eingestellt, im Wahlkampf 2008 aber wieder neu eröffnet. Trotzdem triumphierte Capriles bei der Regionalwahl 2009, als er zum Gouverneur des einflussreichen Bundesstaates Miranda gewählt wurde, der unmittelbar an Caracas anschließt. Dabei entthronte er zudem einen der engsten Vertrauten von Chavez, den Offizier Diosdado Cabello.

Capriles entstammt einer jüdisch-polnischen Familie, die vor dem Zweiten Weltkrieg auf der Flucht vor den Nazis nach Venezuela kam und sich dort eine neue Existenz aufbaute. Seinem Großvater gehörten die größten Kinosäle des Landes. Sein Vater ist holländischer Abstammung; der Familie gehören Immobilien, Medien, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen.

Punkten kann Capriles mit einem dynamischen, informellen Regierungsstil, mit dem er auch die Armenviertel für sich einnehmen konnte. Den Bildungsetat hat er deutlich erhöht, die Kriminalität gesenkt. In seiner Zeit als Bürgermeister war er oft zu Fuß in der Stadt anzutreffen, um sich selbst ein Bild von der Lage und den Problemen der Menschen zu machen. Bei den Überschwemmungen 2010 watete er hüfttief durch das Wasser, während Chavez vom Hubschrauber aus das Katastrophengebiet überflog. Capriles stellt soziale Fragen in den Mittelpunkt und macht damit dem Chavismus Konkurrenz, ohne den noch immer bei rund der Hälfte der Venezolaner populären Amtsinhaber direkt anzugreifen. Gleichzeitig kritisiert er die wirtschaftlichen Verwerfungen und die Korruption des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ scharf.

Der Single ist Marathonläufer und Motorradfreak. Er gilt als arbeitswütig und pflegt einen asketischen Lebensstil. Ein weiterer Pluspunkt ist sein jugendliches Alter, ein krasser Gegensatz zum kränkelnden Präsidenten, von dessen Krebserkrankung keiner so genau weiß, wie ernst sie ist. Angriffsfläche bietet Capriles hingegen als typischer Vertreter der begüterten Oberschicht. Auch rhetorisch ist er Chavez klar unterlegen.

Dass er Meinungsumfragen zufolge trotzdem Chancen haben könnte, hat mehrere Gründe. Zum einen hat sich die Opposition nach Jahren des internen Kleinkriegs nun zusammengerauft. Zum anderen hat Chavez angeschlagener Gesundheitszustand die Schwächen seines personalistischen Regierungsstils offenbart. Ohne Chavez als Integrationsfigur rücken die Probleme des Modells ins Rampenlicht: Versorgungsengpässe, ausufernde Gewaltkriminalität und enorme Korruption. Entschieden wird dieser Wahlkampf von dem Drittel der Wähler, die weder überzeugte Chavisten noch eingefleischte Oppositionelle sind, bisher aber stets dem Altbekannten den Vorzug gaben.

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