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Margot Käßmann: "Der Einsatz ist im Moment nicht zu rechtfertigen"

In der evangelischen Kirche gibt es Rückendeckung für die EKD-Ratsvorsitzende Käßmann und ihre umstrittenen Aussagen zu Afghanistan

Berlin - Die Kritik der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann am Afghanistaneinsatz der Bundeswehr ist innerkirchlich auf Zustimmung gestoßen. „Der Einsatz in Afghanistan ist im Moment nicht mehr zu rechtfertigen“, sagte Renke Brahms, der Friedensbeauftragte der EKD und Schriftführer der Evangelischen Kirche Bremen. Es fehle ein international abgestimmtes Gesamtkonzept, auch sei nicht mehr deutlich zu erkennen, dass der zivile Aufbau Vorrang vor dem militärischen Einsatz habe. Aus friedensethischer Perspektive sei der militärische Einsatz nur dann gerechtfertigt, wenn er einen „Schutzraum für den zivilen Aufbau gewährleistet“. Der zivile Aufbau drohe aber aus dem Blick zu geraten, so Brahms. Er beruft sich auf die Friedensdenkschrift der EKD von 2007, die klare Kriterien für den militärischen Einsatz auflistet, um einen „gerechten Frieden“ zu erreichen. Den Begriff des „gerechten Krieges“ schließt das Dokument von vornherein aus. Waffen dürfen nach dieser Schrift nur zur Absicherung ziviler Maßnahmen eingesetzt werden, nur zeitlich begrenzt, nur wenn es eine Exitstrategie gibt und die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewährleistet wird. Auch hier sei eine „Schieflage“ entstanden, sagte Renke Brahms, die Ausgaben für den Militäreinsatz würden die für den zivilen Aufbau übersteigen.  

Auch für Nikolaus Schneider, Präses der Rheinischen Landeskirche, steht „die Legitimität des Einsatzes infrage“, da eine Ausstiegsstrategie und ein umfassendes Konzept fehle. Der Einsatz militärischer Gewalt in Afghanistan sei aber „nicht grundsätzlich abzulehnen“, da Terroristen gegen das eigene Volk wüteten. Die EKD-Schrift lässt Militärinterventionen bei „aktuellen, schwersten Unrechtshandlungen zu, wenn ganze Gruppen einer Bevölkerung an Leib und Leben bedroht“ werden. Renke Brahms interpretiert dies anders: „Terrorismus ist noch kein Grund für einen militärischen Einsatz.“ 

Die EKD-Ratsvorsitzende Käßmann hatte in ihrer Neujahrspredigt mit Blick auf Afghanistan angemahnt, dass „wir mehr Fantasie für den Frieden brauchen, für andere Formen, Konflikte zu bewältigen“. Waffen würden „offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan schaffen“. In Interviews hatte sie eine Strategie für den Abzug aus Afghanistan gefordert und gesagt: „Immer mehr Militär zu schicken, ist keine Lösung und bringt keinen dauerhaften Frieden.“ Dem Tagesspiegel hatte sie gesagt, dass sie die „Beteiligung in Afghanistan noch nie nachvollziehen konnte“.

Der amtierende Leiter des evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr, Matthias Heimer, sagte, dass etliche Soldaten das Gefühl gehabt hätten, Käßmann sei ihnen durch ihre grundsätzliche Kritik am Afghanistaneinsatz „in Rücken fallen“. Sie hätten sich gefragt: „Ist das alles falsch, was wir hier tun, wenn die Bischöfin so etwas sagt?“ Den Vorwurf, sie würde die Soldaten im Stich lassen, wies Käßmann am Montag vehement zurück. Ihr EKD-Sprecher stellte klar, dass sie aber ein „deutliches Mahnzeichen“ habe setzen wollen, um darauf hinzuweisen, dass der Afghanistaneinsatz „kippe“ und der zivile Aufbau in Vergessenheit gerate.

Grundsätzlich seien die Fragen, die Käßmann stelle, berechtigt, sagte Matthias Heimer vom Kirchenamt für die Bundeswehr. Sind wir noch auf dem richtigen Weg? Können wir mit unseren Mitteln überhaupt erfolgreich sein? Wie lange zieht sich das noch hin? Das würden sich auch die Soldaten fragen. Heimer kritisierte, dass „in Deutschland bislang eine breite Debatte über den Afghanistaneinsatz gefehlt hat“. Es wäre wichtig, diese Debatte nachzuholen. Die Politiker seien gefordert, Antworten zu geben.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte am Montag, dass Bischöfin Käßmann „so wie wir“ die zivilen Aspekte des Aufbaus in Afghanistan betone. Auch die Bundesregierung setze nicht in erster Linie auf militärisches Engagement: „Das ist ein entscheidender Fehler, den wir nicht machen werden.“ Der zivile Aufbau müsse aber militärisch abgesichert werden.

Ein Regierungssprecher sagte allerdings, es gebe in Hinblick auf das Thema Afghanistan eine „Meinungsverschiedenheit“ zwischen der EKD und der Bundesregierung. Die Regierung sei überzeugt, dass der Afghanistaneinsatz nötig sei, und halte ihn für verantwortbar. Die Bundesregierung sei aber offen für eine Debatte „in ernsthaftem und angemessenem Ton“.

Claudia Keller

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