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Harald Martenstein.

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Martensteins Kolumne: Der tote Apparat

Der Untergang der SPD hängt auch mit ihrer Art der Elitenbildung zusammen, schreibt Harald Martenstein in seiner Tagesspiegel-Kolumne.

Worauf beruht Erfolg? In diesem Fall reden wir nicht von Personen, sondern von Staaten, Parteien oder Unternehmen. Eine Soziologin erzählte mir, dass es beim Erfolg von Organisationen vor allem darauf ankommt, wie dort die Eliten gebildet werden. Unter anderem deshalb hätten sich die Republiken historisch gegen die Monarchien durchgesetzt. In einer Monarchie entscheidet der Zufall der Geburt darüber, wer Thronfolger wird. In der Republik muss das Führungspersonal über irgendeine Art von Tüchtigkeit verfügen. Die sozialistischen Staaten seien auch deswegen untergegangen, weil ihre Führer, selbst, wenn sie, für jeden erkennbar, unfähig oder vergreist waren, einfach nicht abgelöst werden konnten, außer durch einen gefährlichen Putsch. Ein tüchtiger Manager, der 1980 Erich Honecker abgelöst hätte – vielleicht wäre das, ob man den Gedanken nun mag oder nicht, die Rettung für die DDR gewesen. Aber so war die DDR nicht gestrickt. Sie war hilflos, in ihrer Krise.

Fast alles geht irgendwann einmal unter. Es kann sein, dass jetzt gerade die SPD untergeht. Der Untergang der SPD hängt auch mit ihrer Art der Elitenbildung zusammen. Die SPD war immer die Partei der Funktionäre. Man diente sich im Apparat hoch. Der Funktionär kann ein geradliniger, knorziger, ein wunderbarer Typ sein, ein Müntefering. Um nach oben zu kommen, muss er allerdings in der Lage sein, sich in der Organisation taktisch klug zu verhalten, er muss rivalisierende Funktionäre besiegen, Bündnisse schmieden, zur Not auch einmal intrigieren. Die Außenwirkung, außerhalb der Partei, ist nicht so wichtig. Wichtig ist die Basis. Der erfolgreiche Funktionär muss das Vertrauen der Parteibasis gewinnen.

Die Basis der SPD ist stark geschrumpft. Die SPD ist heute ein Funktionärsapparat, der in der Luft hängt, ohne Erdung, ohne Kompass, und der sich selber zerfleischt. Ständig werden neue Vorsitzende ausgerufen, wie im untergehenden römischen Reich die immer neuen Kaiser, deren Namen man sich am Ende kaum noch merken konnte. Die SPD bräuchte natürlich, um wieder erfolgreicher zu sein, eine Figur mit Charisma. Aber das gibt der Apparat nicht her, der Apparat misstraut dem Charisma, weil es unabhängig macht, der Apparat begünstigt den schlauen Apparatschik. Würde die SPD heute noch einen so zerklüfteten Charakter wie Willy Brandt zum Vorsitzenden wählen, einen so unabhängigen Geist wie Helmut Schmidt zum Kanzler machen? Die SPD von heute wird von Andrea Nahles symbolisiert, die sicher tüchtig ist, aber nie einen einzigen Tag Berufsleben außerhalb des Apparates verbracht hat und von der ich in ihren Interviews noch nie einen Satz gehört habe, der nicht nach Parteigremium klang.

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