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Massaker in Syrien: UN-Beobachtern bietet sich ein Bild der Zerstörung

Zerschossene Häuser, Patronenhülsen, Blutlachen: UN-Beobachter haben im syrischen Dorf Tremseh nach Spuren des jüngsten Armee-Angriffs gesucht. Der Attacke richtete sich offenbar primär gegen Deserteure und Anti-Assad-Aktivisten.

Den UN-Beobachtern bot sich ein Bild von Tod und Zerstörung: zerschossene Häuser, eine ausgebrannte Schule, Blutlachen und Patronenhülsen. „Eine breites Spektrum an schweren Waffen wurde eingesetzt – darunter Artillerie, Mörser und Handfeuerwaffen“, erklärte die Sprecherin der UN-Blauhelme, Sausan Ghosheh. Zuvor war das internationale Team 48 Stunden lang von syrischen Soldaten in einiger Entfernung vor dem Dorf Tremseh aufgehalten worden. Erst am Samstag und Sonntag durften die UN-Vertreter dann den Ort des Massakers in Augenschein nehmen.

„Wir können bestätigen, dass es hier am 12. Juli eine militärische Operation gab. Der Angriff galt offenbar spezifischen Gruppen und bestimmten Gebäuden – vor allem von Deserteuren und Aktivisten”, erklärte Ghosheh und rückte damit Meldungen der Opposition zurecht, es habe sich um ein Massaker ausschließlich an Zivilisten gehandelt. Menschenrechtsorganisationen beziffern die Zahl der Toten auf 100 bis 150, alles Männer.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London veröffentlichte eine Liste mit 103 Namen, darunter 50 Deserteure. Videos zeigten blutüberströmte Leichen von jungen Männern in T-Shirts und Jeans.

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Nach Aussagen von Überlebenden wurden sie nach Ende der Kämpfe von Shabiha-Milizionären des Regimes regelrecht abgeschlachtet. Die UN-Beobachter am Ort konnten keine gesicherten Angaben über die Zahl der Opfer machen, von denen Dutzende inzwischen in Massengräbern beerdigt wurden.

Augenzeugen berichteten, dass sich viele Leichen noch unter den Trümmern der Häuser oder auf umliegenden Feldern befinden. Da die UN-Blauhelme das in der Provinz Hama gelegene Dorf am Orontesfluss nur in Begleitung syrischer Soldaten inspizieren durften, konnten sie keinen Kontakt zur lokalen Bevölkerung aufnehmen. Seit dem Angriff ist die Ortschaft von der Armee komplett abgeriegelt.

UN-Mitarbeiter fürchten in Syrien um ihr Leben

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und UN-Vermittler Kofi Annan verurteilten die Vorfälle auf das Schärfste. Annan reist an diesem Montag nach Moskau, wo er neben Außenminister Sergei Lawrow am Dienstag auch Präsident Wladimir Putin treffen wird. Kommende Woche muss der UN-Sicherheitsrat darüber abstimmen, ob das Mandat der 300-köpfigen Beobachtertruppe in Syrien verlängert werden soll oder nicht. Die UN-Teams machen – abgesehen von den beiden Fahrten am Wochenende nach Tremseh – keine Patrouillen mehr vor Ort, weil sie wegen der eskalierenden Gewalt um ihr Leben fürchten.

Am Sonntag gingen die Angriffe der Armee mit Panzern, Artillerie und Kampfhubschraubern in vielen Teilen des Landes unvermindert weiter. Die Städte Hama, Homs, Rastan und Der Ezzor lagen unter Feuer, nach Angaben der Opposition auch mehrere Dörfer nahe Aleppo. Nahe der Stadt Deraa im Süden, wo vor 18 Monaten der Aufstand begann, griffen Einheiten mehrere Ortschaften an und setzten systematisch Häuser in Brand.

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Dagegen behauptete die syrische Regierung am Sonntag, in Tremseh habe es kein Massaker, sondern lediglich ein Gefecht zwischen Militär und „Terroristen“ gegeben, wie man in Damaskus die bewaffneten Rebellen nennt. Das Regime bestritt zudem, Panzer und Kampfhubschrauber gegen das Dorf eingesetzt zu haben, entgegen den Augenzeugenberichten der UN-Emissäre, die die Kämpfe am Donnerstag aus größerer Entfernung hatten beobachten können. Wie ein Sprecher des Außenministeriums in Damaskus erklärte, wurden 37 bewaffnete Kämpfer und zwei Zivilisten getötet. Die Gefechte hätten sich auf fünf Häuser beschränkt. Parallel dazu zeigte das syrische Staatsfernsehen Bilder von angeblich vor Ort gefundenen Waffen und Munition.

Unterdessen haben die UN immer mehr Schwierigkeiten, die erforderlichen Hilfsgelder für ausgebombte Flüchtlinge innerhalb Syriens sowie Flüchtlinge in den arabischen Nachbarstaaten aufzutreiben. Von den insgesamt benötigten 380 Millionen Dollar seien von der internationalen Staatengemeinschaft bisher erst 20 Prozent eingezahlt worden, erklärte John Ging, Direktor beim UN-Koordinierungsbüro für humanitäre Einsätze.

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