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Massenparty: FDP fordert Facebook zum Handeln auf

Nahezu jedes Wochenende gibt es neue Nachrichten über massenhaft besuchte Facebook-Partys. Die Polizei ruft nach dem Gesetzgeber. Und die FDP sieht Facebook am Zug.

Die 16-jährige Thessa aus Hamburg sollte sich für Ende November Anfang Dezember nicht allzu viel vornehmen. Denn vermutlich wird sie jede Sendung zu den "Menschen des Jahres" besuchen müssen. Schließlich hat sie mit einem falschen Klick für Schlagzeilen gesorgt. Die Einladung zu ihrem 16. Geburtstag hat sie nicht nur an ihre echten Facebook-Freunde verschickt, sondern der gesamten Facebook-Gemeinde zugänglich gemacht. Die Folge: Es wurde keine kleine Haus-Party, sondern über 1000 Gäste kamen. Die Vorgärten der Nachbarn wurden verwüstet, Mülltonnen brannten, es gab zahlreiche Festnahmen. Seither vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht von einer Facebook-Party die Rede ist. So beispielsweise in Wuppertal, wo mehrere hundert Personen der Einladung eines anonymen Facebook-Nutzers folgten. Es kam zu Ausschreitungen. Dabei wurden nach Polizeiangaben 16 Personen verletzt. 41 Personen kamen in Gewahrsam. Die Stadt hat mittlerweile eine für den 1. Juli geplante Party, zu der ebenfalls über Facebook aufgerufen wurde, abgesagt. Aufmerksamkeit erlangte auch der Aufruf zu einer öffentlichen Schlägerei - initiiert von zwei Mädchen aus dem niederbayerischen Zwiesel.

Für Wolfgang Bosbach, CDU-Innenexperte durchaus ein ernstzunehmendes Phänomen. "Hier zeigt sich symbolhaft, welche kommunikative Revolution wir zurzeit erleben: Wofür früher ein riesiger Aufwand mit Einladungskarten und Briefen notwendig war, reicht heute ein Klick, um tausende Menschen zu erreichen", sagte Bosbach dem Tagesspiegel. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert die Politik bereits zum Handeln auf. Sie sieht die Beamten durch Demonstrationen, Fußballspiele und nun auch noch diverse Facebook-Partys an den Rand ihrer Kapazität gekommen. Außerdem herrsche juristische Unsicherheit, weil unklar sei, wer haftet. Bosbach äußert Verständnis für die Forderung der Polizei. "Natürlich dürfen die Auswüchse dieser Entwicklung nicht auf dem Rücken der Polizei, der Nachbarn oder der Allgemeinheit ausgetragen werden", sagt Bosbach. Gleichzeitig sieht er den Gesetzgeber nicht am Zug. "Die Gesetze sind vorhanden, nur muss man sie jetzt auch auf dieses neue Phänomen anwenden", sagte Bosbach. Es gehe um die "Sensibilisierung für die Tragweite des eigenen Handelns". So könne niemand dafür verantwortlich gemacht werden, wenn eine Party "unvorhersehbar" aus dem Ruder laufe. Das sei ähnlich wie bei Fußballspielen oder Demonstrationen. "Wenn dort alles ordnungsgemäß läuft und sich plötzlich ein paar Randalierer unter die Fans oder Demonstranten mischen, kann der Veranstalter da nicht haftbar gemacht werden", sagt Bosbach. Allerdings müsse einem schon bewusst sein, welche Folgen es habe könne, "wenn man in seine Doppelhaushälfte Tausende Gäste einladen will", sagt Bosbach. Außerdem trage man eine Verantwortung, wenn sich bereits im Vorfeld herausstellt, dass der Veranstaltungsort zu klein oder die Gäste gewaltbereit seien. Bosbach sieht aber durchaus eine neue Herausforderung für Polizei und Justiz. "Es besteht die Gefahr, dass jetzt immer mehr Leute testen wollen, wie weit man gehen kann."

Was die FDP verlangt, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sieht die Initiatoren der Partys in der Verantwortung. Sie müssten Kosten für Polizei- und Feuerwehreinsätze sowie für die Müllentsorgung tragen. So pauschal, sagt die Berliner Verbraucherzentrale könne man das aber nicht sagen. "Es hängt immer vom Einzelfall ab", heißt es.

Der FDP-Innenpolitiker und Obmann der FDP-Fraktion in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" hält nicht viel von der Forderung der Polizei. "Wenn die Polizei Regulierung wünscht, dann soll sie Vorschläge machen, wo der Gesetzgeber aktiv werden soll. Ich denke nicht, dass man nun auf jede einzelne Entwicklung im Netz mit neuen Gesetzen reagieren kann. Regulierungswut hilft nicht", sagte Schulz dem Tagesspiegel. Auch er fordert eine differenzierte Betrachtungsweise. "Man muss unterscheiden, ob es sich um eine versehentlich veröffentlichte Einladung zu einer Feier handelt, wie im Fall Thessa, oder um eine absichtliche Einladung zu einer Massenparty im öffentlichen Raum." Seit Monaten sei die Politik mit Facebook im Gespräch, um Fälle wie Thessa zu verhindern. Es gehe darum, den Betreiber dazu zu bewegen, "der Freiwilligen Selbstverpflichtung deutscher Sozialer Netzwerke nahe zu kommen", sagte Schulz. Diese Regelungen sehen vor, die Grundeinstellung für jugendliche Nutzer so zu gestalten, dass solche versehentliche Veröffentlichungen nicht passieren können. Zuletzt habe Schulz vor drei Wochen mit den Facebook-Repräsentanten gesprochen. "Facebook beteuert die ganze Zeit, dass sie sich noch in einer Prüfungsphase befinden. Es ist aber Zeit, dass sie endlich in eine Entscheidungsphase eintreten und ihre Grundeinstellungen dahingehend ändern", fordert der Liberale. Doch Grundeinstellungen allein können laut Schulz nicht die Lösung sein. "Außerdem geht es natürlich auch darum, Kompetenzen im Umgang mit Sozialen Netzwerken zu erlernen", erklärt Schulz. Das sei derzeit allerdings schwierig. "Denn im Moment erleben wir einen technologischen Fortschritt, der schneller ist als die Entwicklung gesellschaftlicher Normen dafür. Das gesamte Netz verhält sich im Prinzip wie ein pubertierender Jugendlicher." Außerdem verlaufe der digitale Graben genau zwischen Kindern und Jugendlichen auf der einen Seite und Eltern und Lehrern auf der anderen Seite. "Es kann also keine Vermittlung stattfinden - auch wenn es sicher Ausnahemfälle gibt, aber in der breiten Massen existiert diese digitale Kluft", sagte Schulz. "Gegen absichtliche Massenpartys kann Politik allerdings nicht viel tun. Sie sind auch kein neues Phänomen. Nichtangemeldete Partys gibt es seit Jahrzehnten. Schon die 'Drei Fragezeichen' kannten das Konzept der Telefonlawine. Nur durch die neuen Medien erfahren diese Konzepte eine neue Dynamik."

Ein reines Facebook-Phänomen sind die Massenpartys daher nicht. Vielmehr ist es ein weiterer Ausdruck der mehr oder weniger spontanen Massenbewegung, des Flash-Mobs. Auch den gibt es seit Jahrzehnten. Nur lässt er sich heute viel schneller und unkomplizierter organisieren als noch vor Jahren. Auch die Anonymität ist nicht neu. Flugblätter wurden vor Jahren auch anonym verteilt. Für Schulz ist deshalb klar: "Es geht also nicht um Regeln, sondern um Normen und gesellschaftliche Werte im Umgang mit dem Netz zu entwickeln und das dauert eben."

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