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Politik: Matte Jungs und weise Worte

Nach Streit und Stimmkrieg erläutert CSU-Chef Stoiber dem CDU-Parteitag das Wesen der Volkspartei

Von Robert Birnbaum

Edmund Stoiber nimmt den Beifall nicht am Rednerpult entgegen, sondern in der Präsidiumsbank, neben Angela Merkel. Eine kleine Demutsgeste, die dem CSU- Chef ansteht. Der Dresdner CDU-Parteitag hat ihn kühl empfangen, in Ruhe weiter Anträge diskutiert und noch Fraktionschef Volker Kauder reden lassen. Und als Stoiber zum Grußwort anhebt, da verhalten sich die Delegierten so unbeteiligt, dass man merkt: Noch so ein starker Ministerpräsident, den die Basis spüren lässt, was sie vom Starkgetue des letzten Jahres hält. Nichts nämlich.

Stoiber kriegt später doch noch seinen Applaus. Erst mal knüpft aber dieser kühle Empfang nahtlos an das Scherbengericht an, das der Parteitag am Abend vorher abgehalten hat über die Merkel- Stellvertreter Roland Koch, Christian Wulff und Jürgen Rüttgers. Das hat die drei getroffen. Man kann das an den Mienen ablesen, mit denen jeder der drei seine Analyse darüber begleitet, warum sein Wahlergebnis gar nicht so schlecht ist, eigentlich. In der Tat gibt es für die mageren Prozentwerte – Koch 68, Wulff 66, Rüttgers 57 – nicht nur eine Erklärung. Eindeutig ist aber das Signal. „Es war vorher schon klar, dass Angela Merkel die Nummer eins ist“, analysiert einer der Leidtragenden. „Aber jetzt haben wir’s schriftlich.“

Von einer „tieferen Weisheit des Parteitags“ ist denn auch häufig die Rede beim Parteiabend, den ausgerechnet die „Randfichten“ beschallen. „Die CDU hat eine Vorsitzende, die CDU will keine Reservechefs“, fasst ein Delegierter zusammen. „Versetzen Sie sich doch bloß mal in ein einfaches Parteimitglied“, erklärt ein anderer alter Parteihase. „Das zahlt seinen Mitgliedsbeitrag und will, dass sein Verein Erfolg hat.“ Das erste Regierungsjahr verlief nicht gut, doch seit ein paar Wochen kommen endlich gute Nachrichten aus der Wirtschaft und vom Arbeitsmarkt. „Solche Erfolge saugt die Basis wie ein Schwamm auf“, sagt der Mann. Und dann kommt ein Rüttgers und schlägt auf die soziale Pauke – „Störenfried“!

Tatsächlich wurde Rüttgers für sein Vorgehen abgestraft, nicht für sein Vorbringen. Echte Arbeiterführer wie den Chef der Arbeitnehmerschaft und NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann etwa wählt die CDU mit guten 72 Prozent. Dass Rüttgers’ Widerparte auch nicht berauschend abschnitten, hat ebenfalls wenig mit ihrer inhaltlichen Position zu tun. Wulff zum Beispiel, sagt einer, der sich umgehört hat unter den Delegierten, ist unter anderem bei den Frauen durchgefallen: Scheidung und neue Partnerin okay, aber das frische Glück in bunten Blättern präsentieren – nee!

Vor allem aber hat der scharfe Richtungsstreit auf offener Parteitagsbühne die Gefolgschaften verhärtet. „Die Nordrhein-Westfalen haben Wulff nicht gewählt, Koch aber auch nicht“, vermutet einer aus der NRW-Landesgruppe. Die stellt alleine fast ein Drittel der Delegierten. Umgekehrt haben wohl Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberger Rüttgers durchfallen lassen – zumindest in den ersten zwei Verbänden auf wenig missverständliche Empfehlung ihrer Vorleute hin. „Die starken Jungs haben sich gegenseitig matt gesetzt“, analysiert einer aus der Führungsspitze.

Ein glatter Sieg für Merkel also? Nein. „Ein Kredit“, sagt einer aus der CDU-Führung. Damit verbunden sei die Erwartung, dass sie diesen Vorschuss zum Wohle der Partei mehre. Ein Kredit vor allem auf kluge Führung und Erfolg, nicht auf einen inhaltlichen Kurs. Man kann das am Beifall ablesen, den Stoiber bekommt. Der Bayer hielt nämlich eine kleine Vorlesung über das Wesen der Volksparteien, „die Werte und das Lebensgefühl der Menschen verkörpern“. Und dass die Union liberale, soziale und konservative Wurzeln habe. Und für wirtschaftliche Stärke stehe, aber auch für soziale Gerechtigkeit. Rüttgers hat da sehr applaudiert. Die anderen auf dem Podium nicht so.

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