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Sigmar Gabriel

© dpa

Matthies meint: In Goslar verblassen die Berliner Sorgen

„Du hast keine Chance – aber nütze sie“. Was bedeutet der Satz heute noch? Er liest sich wie maßgeschneidert für Sigmar Gabriel, den SPD-Kanzlerkandidaten in spe.

Als die 68er noch nichts von ihren bevorstehenden Karrieren ahnten, seufzten sie gern den Satz von Herbert Achternbusch „Du hast keine Chance – aber nütze sie“. Wie sinnhaltig er war, zeigte sich spätestens bei Joschka Fischers Aufstieg vom Politrüpel zum nahezu größten Außenminister aller Zeiten. Aber was bedeutet der Satz heute noch? Er liest sich wie maßgeschneidert für Sigmar Gabriel, den SPD-Kanzlerkandidaten in spe, der ja schon mehrmals in seinem politischen Leben keine Chance hatte, zum Beispiel, als sie ihn zum Pop-Beauftragten machten.

Er nützte diese nicht vorhandene Gelegenheit, bewies souverän, dass die SPD gar keinen Pop-Beauftragten braucht, glänzte noch rasch als Knut-Pate und steht nun ganz allein der Kanzlerin gegenüber wie ein Computerspieler, der auf Level 25 das Übermonster mit nass gewordenen Lasergranaten traktiert. Immerhin durfte er grad in Abwesenheit des Übermonsters eine 13-minütige Kabinettssitzung leiten, und auch sonst waren seine Leute nicht faul beim Versuch, ihn in Stellung zu bringen. Die neue Gabriel-Website ist da!

Politik aus der Mitte des Alltags?

Für all jene, die keine Website haben, sei gesagt: Politiker brauchen so was, es wird von ihnen erwartet. Der Grundgedanke dahinter sieht etwa so aus: Ein Wähler, genervt vom endlosen Gemerkel, sagt sich, hey, es gibt da doch den dicken Gabriel von den Sozis, wofür steht der eigentlich so? Dann schaut er nach, googelt, und zack, ist er mittendrin: „Systemrelevant sind zuallererst die Menschen.“

Rumms. Das ist ein Pfund, mit dem Gabriel da wuchert, und es kommt noch mehr: „Wir müssen Politik aus der Mitte des Alltags machen.“ Ja, da schrecken alle auf, die Politik lieber aus der Ecke ihres Büros machen, da muss sogar die Rentnerin lächeln, die von Gabriel grad ein wenig betuttelt wird. Und der Kandidat zückt auch noch das Zauberschwert der Regionalisierung, setzt Templin, dem Mordor der Merkel- Macht, sein eigenes Goslar entgegen, verbindet sein politisches Schicksal mit den zugigen Hängen des Harzes.

Sigmar Gabriel und Til Schweiger

Bedenklich ist dabei aber das Bekenntnis, viele Berliner Sorgen seien weit weg, sobald er auf der Heimfahrt das Ortsschild Goslar sehe. Denn: Wollen wir einen Kanzler, der in Bedrängnis einfach nach Hause fährt und die Weltrettung auf Montag verschiebt? Immerhin ist sich Gabriel jetzt mit Til Schweiger über die Flüchtlingspolitik einig. Der kann dann notfalls das mit den Lasergranaten übernehmen.

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