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In Frankreich scheint etwas in Richtung Intoleranz umgekippt zu sein, findet Bernd Matthies. doris spiekermann-klaas

© Doris Spiekermann-Klaas

Matthies meint: Unerbittlich beim freien Denken

Freidenker, so denkt man, sind offene, geistig bewegliche Menschen. In Frankreich wollen sie nun eine öffentliche Weihnachtskrippe verbieten.

Wenn ich mal eine Vermutung äußern darf: Auch in diesem Herbst wird die deutsche Öffentlichkeit per Boulevardpresse wieder einmal schockiert davon hören, dass ultralinke Dogmatiker und Krypto- Islamisten gegen Martinsumzug und Weihnachtskrippe mobil machen. Es wird erneut heißen, dass Weihnachtsmärkte angeblich in "Winterfest" oder "Sonne-Mond-und-Sterne-Feier" umgetauft werden und dass die Gender-Mafia den Weihnachtsmann zum "santx" machen will und die Engel zu "geflügelten Jahresendfiguren"... Ach nein, das war ja die DDR.

Egal: Wir werden davon hören, auch wenn es wieder einmal nicht stimmt. Und dann werden auch wieder Reporter ausschwärmen und bei den organisierten Juden und Muslimen und Buddhisten fragen, was sie eigentlich gegen Weihnachten haben, und die werden antworten: Nix, ist doch ein schönes Fest soweit.

Das nur zur Vorbereitung auf eine Gerichtsentscheidung aus Frankreich, wo der Laizismus, also das Trennen von Kirche und Staat, bekanntlich den Charakter einer Staatsreligion hat. Ein Berufungsgericht im französischen Ort Melun hat nun also dem konservativ geführten Rathaus der Stadt verboten, auch in diesem Jahr wieder eine Weihnachtskrippe auf dem Gelände zu installieren. Die sollte in einem "Weihnachtsdorf" zwischen Eisbären und Pinguinen stehen und festliche Stimmung verbreiten.

Der Punkt ist nun allerdings, dass diese Attacke auf die christlich europäische Leitkultur keineswegs von beleidigten Imamen vorgetragen wurde oder von eingeborenen Weichlingen, die schon mal Punkte für den kommenden IS-Staat sammeln. Sondern von unerbittlich französischen Freidenkern, die den ganzen Staat bedroht sehen, wenn auf Rathausgrund ein Christkind gewickelt wird. Und dann mit überraschender Zähigkeit die Berufungsinstanzen rauf und runter beschäftigen.

Freidenker, so denkt man ja, sind offene, geistig bewegliche Menschen, die sich die Welt anschauen und dann beschließen, die Sache mit Gott unglaubhaft zu finden. Das ist auch okay,wenngleich man dafür nicht unbedingt Verbände gründen muss. Aber speziell in Frankreich scheint da doch was in Richtung Intoleranz umgekippt zu sein. Wofür kämpft jemand, der gegen Weihnachtskrippen am Rathaus kämpft?

Im Nantes, 400 Kilometer westlich, darf die Krippe im Rathaus übrigens aufgestellt werden. Das sieht wahrscheinlich recht hübsch aus.

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