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© AFP

McCains Nummer zwei: Sarah Palin: Nordlicht für die Vizepräsidentschaft

Schon einmal war Sarah Palin die Nummer zwei. Bei der Wahl zur Miss Alaska landete sie 1984 gleich hinter der Siegerin. Was nun auf die Gouverneurin von Alaska zukommt, ist von ganz anderem Kaliber: Der Republikaner John McCain benannte die fünffache Mutter am Freitag zu seiner Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.

Es war ein Überraschungscoup mit Hintergedanken: McCain dürfte mit der Benennung einer Frau auf enttäuschte Anhängerinnen von Hillary Clinton bei den Demokraten abzielen. In der nationalen und internationalen Politik hat Palin freilich kaum Erfahrung, dies dürfte den Demokraten viel Angriffsfläche bieten. Palin ist der Inbegriff des politischen Außenseiters. So unbekannt ist sie in Washington, dass die Moderatoren des Senders CNN am Freitag vor laufender Kamera diskutierten, wie eigentlich ihr Nachname auszusprechen sei - mit Betonung auf der ersten Silbe, fanden sie heraus.

Weniger schnell war geklärt, für welche Politik Palin steht. Erst im vorletzten Jahr wurde sie Gouverneurin von Alaska, zuvor war sie Bügermeisterin der Kleinstadt Wasilla. In Washington hat sie sich kaum hervorgetan. Gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik, die für viele Wähler wichtig ist, hat sie kein eigenes Profil. Palin gilt als konservativ in sozialen Fragen. Ihre Blitzkarriere in Alaska bestritt die als mutige Kämpferin gegen Korruption in ihrem Heimatstaat, der seit Jahren durch Filzskandale von Ölkonzernen und republikanischen Politikern erschüttert wird.

Schneemobil und Elchfleisch

Wie McCain predigt sie Haushaltsdisziplin, als Gouverneurin des rohstoffreichen Alaska ist sie Expertin in Energiefragen. In ihrer Heimat ist Palin wegen ihres unprätentiösen Auftretens immens populär. Sie fährt Schneemobil, isst Elchfleisch, fischt, jagt und ist Mitglied der mächtigen Pro-Waffen-Lobby NRA. So etwas kommt an in dem rauen Staat am Polarkreis. Sollte Palin am 4. November mit McCain die Präsidentschaftswahl gewinnen, wäre sie die erste Vizepräsidentin der USA. Überhaupt ist sie erst die zweite Frau, die für diesen Posten für eine der großen US-Parteien kandidiert. Die erste war 1984 die Demokratin Geraldine Ferraro an der Seite Walter Mondales.

Mit Familie Palin würde es in der Residenz des US-Vizepräsidenten an der vornehmen Massachusetts Avenue in Washington recht lebhaft werden: Erst im April gebar die Gouverneurin ihr fünftes Kind. Dass es an Down-Syndrom litt, wusste sie vor der Geburt. Eine Abtreibung kam nach eigenen Worten nie in Frage. Solche Familienorientierung kommt gut an an der konservativen Basis der Partei. In seiner ersten Erklärung zu Palin versuchte McCains Büro umgehend, die erwartete Kritik zu kontern: "Gouverneurin Palin ist eine zähe Regierungschefin, die in ihrer Amtszeit gezeigt hat, dass sie bereit wäre, Präsidentin zu sein."

Die Frage der Erfahrung

Ob Palins überraschende Benennung ein kluger Schachzug von McCain war, wird sich daran messen lassen, ob sie die Zweifel an ihrer Eignung fürs Präsidentenamt ausräumen kann. Denn die Hauptaufgabe des Vizepräsidenten ist es, bei Ausfall des Präsidenten sofort das höchste Staatsamt zu übernehmen. Bei McCain kommt dieser Regelung besondere Bedeutung zu: Am Freitag wurde er 72 Jahre, vor Jahren litt er an Krebs.

Zunächst einmal werden sich die Republikaner über McCains Coup freuen, der mit viel Gespür fürs Timing die große Rede des demokratischen Kandidaten Barack Obama am Vorabend in Denver in den Schatten stellte. Wenn alles gut läuft für McCain, wird sich Palin als frisches Gesicht in Washington präsentieren, das vor allem jene weiblichen Wähler anzieht, die gerne Hillary Clinton als Vize an Obamas Seite gesehen hätten. Das Risiko für McCain ist freilich, dass er mit Palins Nominierung sein eigenes Hauptargument gegen Obama untergräbt: Dem Senator wirft er mangelnde politische Erfahrung für Präsidentenamt vor. Diesen Vorwurf wird Palin ab sofort häufig selbst zu hören bekommen.

Peter Wütherich[AFP]

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