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Medikamente: Preisstopp für Pillen und Tropfen

Es wäre die Gelegenheit gewesen für persönlichen Triumph, doch Philipp Rösler trat ganz anders auf. Streng aufs Fachliche konzentriert, beschrieb der Gesundheitsminister am Freitag eine halbe Stunde lang die Details seines Arzneimittel-Sparpakets, auf das er sich mit der Union am Abend zuvor verständigt hatte.

Sein Eigenlob beschränkte sich auf die Behauptung, „die notwendige Balance zwischen Innovationsfähigkeit und Bezahlbarkeit gefunden“ zu haben. Den Part der politischen Würdigung übernahmen andere. Die Koalition habe, freute sich Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU), auf sachlich schwierigstem Terrain „bewiesen, dass sie handlungsfähig ist“. Ein derartiges Einvernehmen, schwärmte FDP-Experte Heinz Lanfermann, sei ihm selbst aus früheren Koalitionszeiten nicht erinnerlich. Und Jens Spahn (CDU) nannte die Einigung gar historisch und „revolutionär“. Dass sich „ausgerechnet eine bürgerliche Koalition“ auf eine solche Neuordnung verständige, hätte wohl keiner ihrer Kritiker erwartet.

Tatsächlich überraschten Röslers Eckpunkte in doppelter Hinsicht. Kaum ein Beobachter hätte damit gerechnet, dass sich Union und Liberale so schnell handelseinig würden. Und kaum einer hätte vermutet, dass das FDP-geführte Ministerium den Herstellern auch mit Preisstopp und deutlich höherer Zwangsabgabe auf die Füße treten würde. So lobten selbst die Krankenkassen Röslers Pläne am Freitag als „insgesamt gutes Paket“. Die Pharmaindustrie dagegen nannte sie „Gift für den Standort Deutschland“.

Konkret soll der Abschlag, den die Arzneihersteller den Kassen gewähren müssen, von sechs auf 16 Prozent steigen. Dies entspricht nicht nur Forderungen der Union, sondern sogar denen der SPD. Damit die Firmen die Zwangsrabatte nicht mit Erhöhungen unterlaufen können, werden die Preise auf dem Niveau von August 2009 eingefroren. Das Moratorium gilt bis Ende 2013. Laut Rösler spart der neue „Pharma-Soli“, den die Branche spätestens Anfang 2011 zu leisten hat, den Kassen 1,45 Milliarden Euro im Jahr.

Für den Minister, der sich bisher gegen bloße Kostendämpfung gestemmt hat, ist der Zwangsrabatt ein Notbehelf. Er soll die Zeit überbrücken, bis das greift, was Rösler „marktwirtschaftliche Preisfindung“ nennt. Hier geht es darum, dass die Hersteller die Erstattungspreise für neue Medikamente nicht mehr wie bisher nach eigenem Gusto festlegen dürfen, sondern künftig mit den Krankenkassen auszuhandeln haben. Werden sie sich innerhalb eines Jahres nicht einig, entscheidet eine unabhängige Schiedsstelle, etwa auf der Basis internationaler Vergleichspreise. Dagegen kann dann zwar immer noch geklagt oder mit ausgiebigen Kosten-Nutzen-Gutachten vorgegangen werden, beides hat aber für die Preisfestlegung keine aufschiebende Wirkung.

Im ersten Jahr bleiben die Hersteller also unbehelligt. Sie dürfen innovative Arznei weiter zum geforderten Preis vermarkten. Wenn die Verhandlungen scheitern und die Schiedsstelle in Aktion treten muss, beträgt ihr Zeitgewinn sogar bis zu 15 Monate. Allerdings werden die Firmen verpflichtet, bei der Markteinführung ein Dossier zum Kosten-Nutzen-Verhältnis des jeweiligen Präparats vorzulegen, das dann überprüft wird und die Grundlage für die Preisverhandlungen bildet. Solche Dossiers seien international „gängige Instrumente“, sagte Rösler. 16 von 27 EU- Staaten regelten damit bereits ihre Medikamentenpreise.

Dass sich die Regierung bei ihren Sparbemühungen vor allem auf die neuen patentgeschützten Arzneimittel konzentriert, hat einen einfachen Grund. Sie sind der mit Abstand stärkste Kostentreiber im Arzneisektor. Im vergangenen Jahr betrug der Zuwachs hier 8,9 Prozent. Bei teuren Spezialpräparaten kommen die Kassen gar auf zweistellige Zuwachsraten. Ihr Anteil am Arzneiumsatz der gesetzlichen Kassen liegt bereits bei 26 Prozent, obwohl der Verordnungsanteil nur bescheidene 2,5 Prozent ausmacht.

Wegen der teuren Innovationen sei die Neuordnung dringend nötig gewesen, betonte Rösler. SPD und Linke dagegen warfen ihm vor, den Herstellern bei der Preisfestsetzung „ein ganzes Jahr Freiflug“ gewährt zu haben. Kosten-Nutzen-Bewertung spiele in dem „weichgespülten Papier“ kaum eine Rolle, sagte Carola Reimann (SPD) dem Tagesspiegel. Gleichzeitig würden die bestehenden Rabattverträge der Kassen für nachgeahmte Arznei ausgehöhlt. Nach Röslers Plänen sollen Kassenpatienten auf Wunsch künftig auch wieder nicht rabattierte Arznei erhalten, wenn sie den Mehrpreis bezahlen.

Reimann warf der Koalition zudem Einseitigkeit vor. Apotheker blieben beim Sparen außen vor, schimpfte sie. „Die brauchen gar keinen Beitrag zu leisten.“

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