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Politik: „Mediziner lassen sich nicht delegieren“

Ärztevertreter kritisieren den Vorschlag eines Pflichtjahrs in der Provinz – sie sehen es nur als letztes Mittel

Berlin - Der Protest der Zuständigen fällt erstaunlich kleinlaut aus. Da fordert der AOK-Bundesverband ein Pflichtjahr für junge Ärzte in der ostdeutschen Provinz, um dem dort herrschenden und wachsenden Medizinermangel zu begegnen – und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gibt zu verstehen, dass dies „nicht sehr geeignet“ und nur „als letztes Mittel“ überlegenswert sei. Allerdings, so KBV- Sprecher Roland Stahl, arbeiteten Mediziner in einem freien Beruf. „Ärzte sind keine Krankenkassen-Angestellten, die man irgendwohin delegieren kann.“

Tatsache ist, dass die Ärztevertreter ein Riesenproblem haben. Vor allem bei den Hausärzten droht in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands ein Engpass. Im Schnitt hängen Ärzte dort bereits mit 62,5 Jahren ihren Kittel an den Nagel – im Westen tun sie es erst mit 64. Das Durchschnittsalter der Praktizierenden liegt bei über 50 Jahren. Und weil der harte Landarzt-Job nicht dem Klischee der Fernsehserien entspricht und die ostdeutsche Provinz nur wenige Uni- Abgänger lockt, dürften dort in absehbarer Zeit viele Praxen leer stehen. Mit Geldspritzen allein werde es jedenfalls nicht gelingen, junge Ärzte in diese Regionen zu locken, meint AOK-Vize Johann-Magnus von Stackelberg. Sein Vorschlag: ein Pflichtjahr als Landarzt vor der eigentlichen Niederlassung. Dies sei ebenso einfach wie wirkungsvoll und jedem jungen Mediziner zuzumuten.

Fragt sich bloß, was der Patient dort davon hat. Es sei nicht gesagt, warnt Thomas Isenberg, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, dass jeder zwangsverschickte Arzt vor Ort besser sei als gar keiner – oder als ein weiter entfernt praktizierender, erfahrener Mediziner. Auch der Beruf werde durch ein Pflichtjahr nicht attraktiver. Besser wären positive Anreize. So müssten Anstellungsverhältnisse ermöglicht und attraktivere Kredite geboten werden. Auch sollte man darüber nachdenken, Landärzte besser zu bezahlen.

Materielle Anreize gebe es zuhauf, sagt KBV-Sprecher Stahl (siehe Kasten). Daneben mühe man sich um ein flexibleres Vertragsarztrecht. „Dazu brauchen wir aber die Politik.“ So müssten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Möglichkeit zu Teilzeitarbeit eine weit größere Rolle spielen. Schließlich gebe es immer mehr Ärztinnen, die dies wünschten.

Den Vorwurf, die KBV habe bei der Sicherstellung ärztlicher Versorgung versagt, weist Stahl von sich. Es handle sich um ein „gesellschaftliches Problem“. Ärzte auch Menschen, denen die Schulausbildung ihrer Kinder oder das kulturelle Angebot wichtig sei. Entscheidend sei oft auch, ob junge Mediziner auf dem Land eine Partnerin fänden. „Aber eine Brautschaubörse – die können wir nun wirklich nicht eröffnen.“

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