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Medwedew-Besuch: "Russland ist aus der Kälte zurückgekommen"

Medwedew in Berlin: Der neue russische Präsident spricht beim Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel deutliche Wort - insbesondere zu europäischen Sicherheitsfragen. Erfreulich gewertet wird, dass Medwedew Deutschland als Ziel seiner ersten Europareise im Amt wählt.

Bei seinem ersten Besuch in Deutschland hat sich Russlands neuer Präsident Dmitri Medwedew zu einem Kurs innerer Reformen bekannt, den Westen jedoch deutlich vor Ausgrenzung seines Landes gewarnt. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vereinbarte der erst 42-jährige Nachfolger von Wladimir Putin am Donnerstag bei einem Treffen im Kanzleramt einen "offenen und ehrlichen" Dialog in nächster Zukunft auch über Streitthemen wie Menschenrechte und Nato-Erweiterung.

Im Anschluss an das Treffen drang Medwedew in einer überraschend deutlichen außenpolitischen Grundsatzrede vor rund 700 Politikern und Wirtschaftsvertretern auf eine Einbeziehung Russlands in alle europäischen Sicherheitsfragen. Besonders eine Ausweitung der Nato könne zu anhaltenden Spannungen führen, sagte Medwedew. Er fügte hinzu: "Der Preis wird hoch sein." Notwendig sei ein verbindlicher Vertrag über europäische Sicherheitsstrukturen, der sich an der UN-Charta orientieren müsse. Medwedew, der Deutschland als erstes europäisches Land nach seinem Amtsantritt vor einem Monat besuchte, warb um Vertrauen für Russland. "Russland ist aus der Kälte zurückgekommen."

Russisches Rechtssystem im Fokus

Russland hat nach den Worten des Staatsoberhaupts eine Phase der Selbstisolation hinter sich gelassen und nach dem Untergang der Sowjetunion ein Staatssystem geschaffen, "das mit dem Rest Europas kompatibel ist". Für Russlands weitere Entwicklung sei ein freier und offener Markt die Garantie dafür, nicht in alte Zeiten zurückzufallen. Obwohl der Präsident auf seiner ersten Auslandsreise vor einer Woche China und Kasachstan besucht hatte, bestritt er, dass sich seine Außenpolitik mehr nach Asien ausrichtet. Medwedew wurde auch von Bundespräsident Horst Köhler empfangen und legte vor seinem Abflug am Abend am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow einen Kranz nieder.

Im Anschluss an das Treffen mit Merkel sicherte er die Fortentwicklung des russischen Rechtssystems zu und sprach von einer "Schlüsselpriorität für sein Land". Diese Aufgabe könne aber noch Jahre in Anspruch nehmen. Merkel mahnte mehr Transparenz an. Die Menschen müssten sich auf das Rechtssystem verlassen können. Derzeit sei es noch zu früh, eine Bewertung der Fortschritte abzugeben, da Medwedew erst kurz im Amt sei.

Fall Chodorkowski im Gespräch

Beide Politiker besprachen auch den Fall des ehemaligen russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski, der 2005 in einem international kritisierten Prozess zu neun Jahren Haft verurteilt und dessen Strafe später um ein Jahr reduziert worden war. Medwedew betonte, der Fall dürfe kein Gegenstand zwischenstaatlicher Verhandlungen sein. Er sicherte umfassende Aufklärung der Morde an Journalisten in seinem Land zu. Einer der bekanntesten Fälle ist der unaufgeklärte Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006. Merkel machte deutlich, dass die Bundesregierung weitere Liberalisierungen in Russland begrüßen würde. Dies bezog sich besonders auf die Bedingungen für Nicht-Regierungsorganisationen.

Dass Medwedew, der am Abend nach Russland zurückflog, Deutschland als Ziel seiner ersten Europareise im Amt gewählt hat, wertete Merkel als Ausdruck der engen freundschaftlichen Beziehungen. Auch Medwedew wollte seinen Besuch "als besonderes Zeichen" für die Entwicklung im deutsch-russischen Verhältnis verstanden wissen. Deutschland sei ein strategischer Partner mit vorzüglichen Zukunftsperspektiven.

Einigkeit über Ostsee-Pipeline

Besonderes Gewicht nahmen bei dem Treffen im Kanzleramt Wirtschaftsthemen ein. "Europa hat Russland immer als sehr verlässlichen Partner in Wirtschaftskooperationen erlebt", sagte Merkel. Dies schließe aber nicht aus, dass man die Frage von stabilen Lieferbeziehungen noch einmal in Zukunft deutlich machen könne. Medwedew warb für mehr gegenseitige Investitionen. "Nichts bringt die Menschen näher zusammen als das Geschäft."

Trotz bestehender Bedenken mehrerer Ostsee-Anrainer wollen beide die Unterwasser-Gaspipeline voranbringen. Merkel betonte, das Projekt sei nicht gegen andere Länder gerichtet. Besonders in Polen und Schweden sind die Widerstände groß. Die noch ausstehenden Genehmigungen schwedischer Behörden gelten als gewichtige Probleme bei der Realisierung.

Die Pipeline soll Gas vom russischen Wyborg bis nach Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern pumpen. Medwedew, der bis vor kurzem Aufsichtsratschef des Staatskonzerns Gazprom war, sagte, die Pipeline nutze der Energieversorgung "des gesamten europäischen Kontinents". Beim Zeitplan bewege man sich noch etwa im Rahmen der gesetzten Fristen. (ck/dpa)

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