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Fünf Jahre dauert der Krieg in Syrien bereits an. Hunderttausende Menschen starben in dem Konflikt.

© REUTERS

Update

Medwedew zu Konflikt in Syrien: Russland warnt USA vor "Weltkrieg"

Ungeachtet der neuen Syrien-Gespräche in München hat der russische Ministerpräsident die Überlegungen zu Bodentruppen in der US-geführten Koalition gegen den IS kritisiert.

Russland hat die US-geführte Koalition gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) eindringlich vor der Entsendung von Bodentruppen nach Syrien gewarnt. Alle Seiten müssten "gezwungen werden, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen anstatt einen neuen Weltkrieg auszulösen", sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew dem "Handelsblatt" vom Freitag. "Es könnte Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern", ergänzte er. Saudi-Arabien hatte sich bereiterklärt, unter der Führung der USA Bodentruppen nach Syrien zu entsenden.

Der saudische Armeesprecher Ahmed Asiri bekräftigte diese Position am Donnerstag. US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte aber nach einem Treffen der Verteidigungsminister der Koalition in Brüssel, das sei nicht Teil der Strategie der Koalition.

Die Mitglieder der Anti-IS-Koalition hätten sich darauf verständigt, ihre Anstrengungen im Kampf gegen die Terrormiliz zu erhöhen. Es gehe dabei etwa um neue Bemühungen, die finanziellen Ressourcen des IS zu zerstören. Zudem würden mehrere irakische Einheiten in den Norden des Landes verlegt, um die Rückeroberung der IS-Hochburg Mossul voranzutreiben. Carter hatte die anderen Mitglieder der Koalition in den vergangenen Wochen wiederholt dazu aufgefordert, mehr zu tun. Washington führt das Bündnis an. Kampfjets fliegen Angriffe im Irak und Syrien. An der Allianz sind rund 60 Staaten beteiligt, darunter neben allen 28 Nato-Mitgliedern auch islamische Länder wie Saudi-Arabien und Jordanien.

Angesichts der Gewalt in Syrien und der Flüchtlingskrise gibt es seit Donnerstagabend einen neuen Versuch, den Krieg mit diplomatischen Mitteln zu beenden – zumindest aber eine Waffenruhe zu erreichen. Dazu kamen am Donnerstag Vertreter der UN, der EU, der Arabischen Liga und 17 weiteren Ländern in München zusammen, in der Nacht wurde eine Feuerpause binnen einer Woche vereinbart. Mit dabei waren neben den USA, Russland und Deutschland auch Saudi-Arabien und der Iran. Die Erzrivalen haben sich völlig überworfen, nachdem die sunnitische Golfmonarchie einen hohen schiitischen Geistlichen hinrichten ließ. Die Regionalmächte sind am Konflikt beteiligt – Teheran steht auf Seiten von Machthaber Baschar al Assad, Riad unterstützt Rebellen.

Russland spielt eine entscheidende Rolle

Die Regierung in Moskau spielt bei der Suche nach einer möglichen Lösung des Konflikts eine entscheidende Rolle. Seit dem 1. Februar fliegt die russische Luftwaffe schwere Angriffe auf Aleppo und die nördlichen Vororte. Der massive Militäreinsatz hat es der syrischen Regierungsarmee und ihren verbündeten Milizen ermöglicht, die Rebellen zurückzudrängen. Dem Vernehmen nach könnte sich der Kreml zu einer Feuerpause zum 1. März bereit erklären. Unklar ist jedoch, was Moskau als Gegenleistung fordert und wie die USA darauf reagieren. Ein grundsätzlicher Strategiewechsel des Kremls gilt aber als unwahrscheinlich.

In Syrien herrscht seit fünf Jahren ein sich ständig ausweitender Krieg. Der Krieg in Syrien hat in den vergangenen fünf Jahren einer Studie zufolge deutlich mehr Menschen das Leben gekostet als bisher angenommen. Insgesamt seien 470.000 Syrer gestorben, berichtete der britische "Guardian" unter Berufung auf das Syrische Zentrum für Politikforschung.

400.000 Menschen sollen bei Kampfhandlungen getötet worden sein

400.000 Menschen wurden demnach bei Kampfhandlungen getötet. Weitere 70.000 seien gestorben, weil sie keine ausreichende medizinische Versorgung, sauberes Wasser oder Unterkünfte gehabt hätten. Der Erhebung zufolge sind in dem Krieg mehr als elf Prozent der Bevölkerung getötet oder verletzt worden. Die Lebenserwartung sei von 70 auf 55,4 Jahre gesunken. Die UN hatten in früheren Schätzungen von 250.000 Toten gesprochen.

Besonders dramatisch ist die Lage in und um Aleppo. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al Hussein, sagte in Genf, er sei "äußerst alarmiert" über eine die Verschlechterung der Menschenrechtslage in der Region. Frauen, Kinder und Senioren, Verwundete, Kranke und Behinderte würden unterschiedslos als "Spielgeld und Kanonenfutter" benutzt. Seit der jüngsten Offensive der Regierungstruppen mit russischer Luftunterstützung in der vergangenen Woche seien 51.000 Zivilisten vertrieben worden; 30.000 weitere drohten unter Belagerung zu geraten. Dutzende Zivilpersonen seien seit Anfang Februar getötet worden. Es gebe zahlreiche Berichte über die Zerstörung nichtmilitärischer Einrichtungen während der letzten Angriffswelle, darunter drei Krankenhäuser und zwei Bäckereien. Die Kriegsparteien in Syrien sänken beständig „zu neuen Tiefen, anscheinend ohne sich im Geringsten über den Tod und die Zerstörung zu kümmern, die sie über das Land bringen“. Im Raum Aleppo und in anderen Teilen Syriens würden täglich "schockierende Menschenrechtsverletzungen und Missbräuche" begangen.

Die Türkei warnt vor weiteren 600.000 Flüchtlingen

Die syrische Armee ist in der Offensive, seitdem die russische Luftwaffe Ziele in dem Bürgerkriegsland angreift. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte, wenn die Luftangriffe fortgesetzt würden, könnte es weitere 600.000 Flüchtlinge geben. Sein Land bereite sich darauf vor. Die Türkei hat nach eigener Darstellung bereits 2,6 Millionen Syrer aufgenommen und macht sich schon länger für die Schaffung von Schutzzonen in Nordsyrien stark, um Zivilisten jenseits der Grenze versorgen zu können.
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, befürwortet zur Befriedung Syriens einen multinationalen Militäreinsatz. "Möglicherweise braucht man für eine dauerhafte Stabilisierung Friedenstruppen", sagte er faz.net. Nötig seien Rückversicherungen für die beteiligten Staaten und eine regionale Sicherheitsarchitektur nach Vorbild der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. (mit dpa,AFP,rtr)

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