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Karroubi

© dpa

Mehid Karroubi: "Die Amerikaner müssen den ersten Schritt tun"

Mehid Karroubi kandidiert bei der Präsidentschaftswahl in Iran. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über Ahmadinedschad und die Beziehungen Irans mit den USA.

Herr Karroubi, nach den Präsidentschaftswahlen 2005 haben Sie Irans Geistlichen Führer Ali Chamenei beschuldigt, Ihnen Ihren Sieg gestohlen zu haben. Erwarten Sie bei der Wahl am 12. Juni mehr Fairness?

Ich will nicht mehr über die Vergangenheit reden. Die Zeit von Präsident Ahmadinedschad geht bald zu Ende. Und damals war nicht der Revolutionsführer verantwortlich für die Manipulationen, sondern das Innenministerium. Ich sage nicht, dass es diesmal besser wird. Es sind harte Zeiten. Ahmadinedschad hat alle Gouverneure und den Regierungsapparat zur Verfügung. Wir werden auch jetzt behindert. Aber wir wollen unsere Rechte verteidigen.

Der Westen sieht den Iran als Sicherheitsrisiko. Verstehen sie das?

Die Politik von Ahmadinedschad ist falsch. Wir akzeptieren sein Vorgehen nicht. Seine Politik führt dazu, dass wir immer mehr Feinde bekommen. Ein großer Teil seiner Äußerungen ist unüberlegt: Wie kann er sagen, dass internationale Resolutionen nur ein Stück Papier seien. Das ist irrational. Aber eines ist wichtig. Die Radikalisierung im Iran kam nicht ohne Grund. Als wir Reformer an der Macht waren, waren wir dem Westen nicht fortschrittlich genug. Wir haben gewarnt: Passt auf! Wenn ihr immer mehr von uns fordert, wird es im Iran zu einer Radikalisierung führen. Wir haben aber nicht geahnt, dass es so radikal werden könnte wie unter Ahmadinedschad.

Aber Barack Obama zeigt sich heute offen. Wollen sie einen Dialog mit den USA?

Obamas Äußerungen unterscheiden sich sehr von Bush. Die Bush-Politik war falsch und hat vieles im Nahen Osten verkompliziert. Von Obama erwarten wir jetzt aber Taten. Es gibt eine Mauer des Misstrauens zwischen dem Iran und den USA. Es braucht ein paar kräftige Faustschläge, damit sie fällt – wie damals bei der Mauer in Berlin. Aber die Amerikaner machen uns das Leben weiter schwer. Sie geben uns nicht einmal Ersatzteile für unsere Boeing-Flugzeuge. Also müssen wir sie auf dem Schwarzmarkt kaufen. Wir wollten Airbus-Flugzeuge kaufen – was die USA verhindert haben. Wenn so etwas aufhören würde, hätten es die Gemäßigten leichter.

Sie fordern also Vorleistungen der USA. Aber was kann der Iran selbst tun?

Wir hatten nach dem 11. September eine gute Zusammenarbeit mit den USA in Afghanistan. Aber dafür haben wir bis heute nichts zurückbekommen. Die USA haben den Iran viele Jahrzehnte lang gekränkt und manipuliert. Die Amerikaner müssen den ersten Schritt tun.

Obama hat sich in einer Videobotschaft an das iranische Volk und an seine Führung gewandt. Also liegt der Ball im iranischen Feld.

Ich weiß selbst nicht, wo der Ball liegt – ich spiele keinen Fußball. Aber im Interesse des Irans ist es wichtig, dass die Probleme gelöst werden.

Ahmadinedschads Äußerungen über den Holocaust haben das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran verschlechtert.

Der Holocaust hat stattgefunden. Es gab die Mordtaten. Sollen wir Adolf Hitler verteidigen, indem wir den Holocaust leugnen? Es hat doch keinen Sinn, dass wir im Iran bezweifeln, dass dieser Mörder Leute umgebracht hat. Wichtig ist: Die Palästinenser leben in Palästina. Es ist ihr Vaterland. Sie haben Rechte dort. Also müssen Muslime und Juden einen Weg finden, zusammenzuleben.

Zum Thema Atom: Ist der Preis nicht zu hoch, den der Iran für dieses eine Segment von Fortschritt und Entwicklung bezahlt?

Iran ist ein bedeutendes Land und lässt sich von niemand bevormunden. Wir wollen das Know-how der Atomtechnik beherrschen. Wichtig aber ist, sich gegenseitig zu respektieren und offen miteinander zu reden. Wir sollten alles klar auf den Tisch legen, ganz transparent. Ich glaube, Transparenz von unserer Seite und gegenseitige Vertrauensbildung hätten Wirkung gezeigt. Aber die harte Position der USA und die Reden von Ahmadinedschad haben alles verkompliziert. So haben sich Bush und er gegenseitig hochgeschaukelt. Ein Teil des Drucks auf den Iran ist Folge der harten Äußerungen. Das hat Washington als Vorwand genutzt, um uns in die Ecke zu stellen.

Aber in der Sache sind sich die Iraner einig – sie wollen die Atomtechnologie?

Ja, solange es um das Beherrschen der Atomtechnologie geht, sind wir Iraner uns einig.

Der Geistliche Mehdi Karroubi (71) war von 1989 bis 2002 sowie von 2000 bis 2004 Sprecher des iranischen Parlaments. Der Reformer landete 2005 als Präsidentschaftskandidat auf dem dritten Platz. Bei den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni tritt er als einer der beiden Herausforderer von Präsident Ahmadinedschad an. Das Gespräch führte Martin Gehlen.

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