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Mehr Atommächte?: Arabische Staaten setzen auf Atomkraft

Syrien und Iran werden keine Einzelfälle bleiben - die arabischen Staaten verlangen nach Atomkraft. Wegen des Bevölkerungswachstums reichen die Stromkapazitäten in vielen Staaten nicht mehr aus.

Wenn es um Atomenergie im Nahen und Mittleren Osten geht, steht seit Jahren nur ein einziges Land im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit - der Iran. Seit kurzem hat sich Syrien dazugesellt, nun ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), deren 35-köpfiger Gouverneursrat noch bis zu diesem Freitag tagt. Der Iran wird im Sommer 2009 seinen Reaktor Bushehr anfahren, verweigert sich aber der UN-Forderung, die Urananreicherung einzustellen. In Syrien gehen die Wiener Kontrolleure dem Verdacht nach, das Land betreibe ein geheimes Atomprogramm. Gleichzeitig beschloss jetzt das IAEO-Gremium gegen den Widerstand von USA und Europa, Damaskus technische Unterstützung beim Bau eines Reaktors für Stromgewinnung zu gewähren.

Vom Stromreaktor zur Atombombe - die Übergänge sind fließend. Und gerade im Nahen und Mittleren Osten wird diese Grauzone nicht auf den Iran oder Syrien begrenzt bleiben. Mindestens zwölf Atommeiler sind inzwischen im Bau oder geplant - unter anderem in Ägypten, Jordanien, Libyen, Algerien, Tunesien, Marokko, Abu Dhabi und der Türkei. In den kommenden Jahrzehnten werden "große Mengen an zivilem Plutoniummüll" anfallen, warnt eine Studie des Institute for Science and Security (ISIS), ein unabhängiger Think Tank für Militärforschung in Washington D.C. Bis 2030 könnten es bereits 45 Tonnen sein. Acht Kilogramm Plutonium reichen für den Bau einer Atombombe aus, schreiben die beiden Autoren, ISIS-Chef David Albright und Andrea Scheel. Bis 2020 hätte die Region "genug Plutonium für 1700 Atombomben".

Die westlichen Atommächte haben sich nicht mit der koordinierten Verbreitung von Nukleartechnik befasst

Zwei Motive treiben das Verlangen nach Atomenergie in Nahost: Wegen des Bevölkerungswachstums reichen in vielen Staaten die Stromkapazitäten nicht mehr aus. Die ölexportierenden Nationen wollen den Rohstoff lieber teuer auf dem Weltmarkt verkaufen, als in eigenen Kraftwerken verheizen. Nach Meinung der Spezialisten haben die westlichen Atommächte es bisher versäumt, sich mit der Verbreitung von Nukleartechnik in der Region koordiniert zu befassen. Ausgelöst durch Irans Nuklearprogramm, werden auch "andere Staaten ihre Optionen prüfen, einschließlich einer möglichen Beschaffung von Atombomben".

Die Forscher plädieren dafür, das wachsende Atomwaffenrisiko durch drei Barrieren einzugrenzen. Die Urananreicherung müsste unterbunden werden. Es dürften keine Anlagen gebaut werden, in denen sich abgebrannte Brennstäbe aufarbeiten lassen. Und die Lieferanten von Brennstäben müssten sich verpflichten, den Atommüll wieder zurücknehmen. Dazu müssten sich nach Meinung der Experten alle an Atomenergie interessierten Staaten im Nahen und Mittleren Osten auf ein freiwilliges Moratorium verständigen, was Urananreicherung und Wiederaufarbeitung von Brennstäben in eigenen Anlagen ausschließt. Dies aber werde sich politisch nur erreichen lassen, wenn auch Israel mitspielt. Die neue Administration von Barack Obama müsse Tel Aviv daher drängen, "jegliche Produktion von Spaltmaterial für Atomwaffen auszusetzen." Ob das reicht, ist fraglich. Die Türkei ist an einer eigenen Urananreicherung interessiert. Und Ägypten stellte im September klar, dass es jedes Moratorium für seine Atompolitik ablehnt.

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