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Politik: „Mehr Geld hilft meistens nicht“

Sozialhilfeempfänger brauchen Unterstützung bei der Erziehung – sagt Familienministerin Renate Schmidt

Frau Ministerin, was kann die Familienpolitik tun, um für mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu sorgen?

Wenn wir in Deutschland endlich wieder mehr Kinder bekommen, führt das zu einem höheren Wachstum. Das hat uns auch die OECD vorgerechnet. Bleiben wir bei der niedrigen Geburtenrate, wird das Wachstum deshalb in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich absinken. Wir sollten niemandem Kinder einreden. Aber wir sollten dafür sorgen, dass Menschen sich ihre vorhandenen Kinderwünsche auch erfüllen können.

Volkswirtschaftlich klingt das logisch. Aber sind Kinder für den Einzelnen nicht ein finanzielles Risiko?

Nein, das stimmt nicht. Der Armutsbericht zeigt, dass es Paaren mit Kindern so gut geht wie dem Durchschnitt der Bevölkerung. Ein höheres Armutsrisiko besteht allerdings für Alleinerziehende. Wenn die Kinderbetreuung fehlt, können die Mütter oder Väter auch keiner Arbeit nachgehen. Mit Geld kann man das Problem dauerhaft nicht lösen. Den Betroffenen ist mehr geholfen, wenn das Kind tagsüber flexibel betreut wird und Eltern arbeiten können.

Mit Hartz IV hat die Bundesregierung allein erziehenden Eltern versprochen, dass die Arbeitsagenturen sich um die Vermittlung von Kinderbetreuungsplätzen kümmern werden. Klappt das?

Mein Ministerium schaut sehr intensiv hin, wie sich das entwickelt. Nach einem guten halben Jahr wird man sagen können, ob die Bundesagentur für Arbeit ihren Auftrag umsetzt. Das wird sicherlich noch nicht flächendeckend funktionieren. Es muss aber deutlich werden, dass wir keinen Papiertiger ins Gesetz geschrieben haben.

Die Bundesagentur war in den letzten Monaten vor allem damit beschäftigt, die Auszahlung des neuen Arbeitslosengeldes II zu organisieren. Ist es ein Versäumnis, dass die bessere Betreuung und Vermittlung nicht schneller in Gang kommt?

Nein. Wir können nicht eine Institution, die 90 000 Beschäftigte hat, mit einem Donnerschlag umbauen. In der freien Wirtschaft würde das nach meinen Erfahrungen auch deutlich länger dauern. Man kann nicht oben ein Gesetz reingeben und glauben, dass unten sofort alle Maßnahmen eins zu eins rauskommen.

Wenn die Kinderbetreuung ausgebaut wird, gibt es einen enormen Bedarf an Erzieherinnen oder Tagesmüttern, oder?

Für den Ausbau der Betreuung für die Kinder unter drei Jahren werden mittelfristig 40 000 Tagesmütter sowie natürlich auch viele Erzieherinnen und Erzieher benötigt. Im Tagesbetreuungsausbaugesetz haben wir vorgesehen, dass diese in Zukunft stärker qualifiziert werden. Es gibt ein verbindliches Curriculum, das 160 bis 180 Stunden beinhaltet. Wenn die Bundesagentur in ruhigere Fahrwasser kommt, werden wir auch dort nach Qualifizierungsmöglichkeiten schauen, zum Beispiel für arbeitslose Erzieherinnen und Erzieher. 40 000 zusätzliche Arbeitsplätze sind ja kein Pappenstiel.

Zurück zum Armutsbericht. Wenn Eltern Sozialhilfe beziehen, haben auch die Kinder wenig Aufstiegschancen. Wie kann man diesen Kreislauf durchbrechen?

Es hilft in den meisten Fällen nicht, immer mehr Geld zu geben. Damit zementiert man die Situation und erreicht diejenigen nicht, um die es geht, nämlich die Kinder. Man muss versuchen, den Eltern wichtige Kompetenzen zu vermitteln: zum Beispiel einen Haushalt zu führen, Kinder zu erziehen, mit Geld umzugehen. Da sind vor allem Länder und Kommunen gefragt. Die frühe Förderung von Kindern ist gemeinsame Aufgabe. Aus England können wir uns zum Beispiel die Idee der „Häuser für Kinder“ abschauen. Die Idee dahinter ist, dass man die Eltern über ihre Kinder erreicht und dort ein vielfältiges Hilfsangebot aus einer Hand anbietet, zum Beispiel Kinderbetreuung, Erziehungsberatung, Sprachförderung ... Wenn ein Kind nicht vernünftig Deutsch kann, sprechen die Erzieherinnen die Eltern an. So erreicht man auch Migrantenfamilien.

Tun die Länder genug gegen Armut?

Wir werden nichts erreichen, wenn nicht alle am selben Strang ziehen. Die Bundesregierung hat zum Beispiel das Kindergeld erhöht. Wenn dann in den Ländern den Familien wieder Kosten auferlegt werden durch höhere Kindergartengebühren oder durch Büchergeld in den Schulen, ist das nicht förderlich.

Die CDU hat eine neue Familienkommission eingesetzt, die das Programm der Partei überarbeiten soll. Konkurrenz für Sie?

Ich freue mich, dass nun auch die CDU endlich im Hier und Jetzt angekommen ist. Wenn die zu Papier bringen, was wir bereits tun, ist das für mich keine Konkurrenz. Ob das ernst gemeint ist, wird man daran beurteilen können, ob die Unions-Länder nun auch die Betreuung für die Kinder unter drei ausbauen. Da muss der Widerstand aufhören.

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