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Politik: Mehr Recht in weniger Zeit - Däubler-Gmelins Neuordnung, die Richter und das Geld (Kommentar)

Bürgernäher, effizienter, transparenter. Das sind derzeit die Lieblingsworte der Bundesjustizministerin.

Bürgernäher, effizienter, transparenter. Das sind derzeit die Lieblingsworte der Bundesjustizministerin. Mit diesen Worten zieht Herta Däubler-Gmelin durch das Land, um für ihr neues Projekt zu werben: eine Reform des Zivilprozesses. In seiner reformierten Form, verkündet die SPD-Politikerin, wird der Zivilprozess besser als bisher Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiften, die Parteien werden schneller zu ihrem Recht kommen, die Bürger werden Entscheidungen erhalten, die sie verstehen und akzeptieren. Wer wollte das nicht?

Das sind die Mittel: Die erste Instanz wird gestärkt, personell wie inhaltlich. Dort sollen vor allem die Richter arbeiten, die besonders gut Rechtskenntnisse mit Lebenserfahrung verbinden. Die sollen das Verfahren, wenn irgend möglich, bereits zum Abschluss bringen. Wenn das klappt, trägt das tatsächlich zur Bürgernähe bei, denn es sind in der Regel die Amtsgerichte, bei denen die Menschen zum ersten Mal mit der (Zivil-)Justiz in Berührung kommen. Wer wünschte sich da nicht einen kompetenten Juristen?

Das Oberlandesgericht (OLG) wird Berufungsinstanz. Das Landgericht als Berufungsinstanz fällt weg, es wird zur ersten Instanz. Warum es dann nicht ganz abgeschafft wird, bleibt das Geheimnis der Ministerin. Das OLG prüft vor der Annahme der Berufung, ob das erstinstanzliche Urteil falsch sein kann, entweder weil die Tatsachen nicht richtig gewürdigt wurden oder weil das Recht falsch angewendet worden ist. Kann das der Fall sein, nimmt das Gericht die Berufung an und entscheidet die Sache neu. Wenn nicht, ist das Urteil der ersten Instanz rechtskräftig - unabhängig vom Streitwert. Künftig wird es nicht mehr möglich sein, aussichtslose Fälle allein wegen ihres Streitwertes jahrelang durch sämtliche Instanzen zu schleppen. Das klingt tatsächlich effizient, transparent und bürgernah.

Anwälte und Richter widersetzen sich dem Vorhaben - wenngleich nicht alle, und auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Anwälte klagen besonders. Das Landgericht als Berufungsinstanz ist für sie ein lukratives Geschäft. In der Tat lastet in Zukunft mehr Verantwortung auf ihren Schultern. Rechtsanwälte können die erste Instanz nicht mehr als Durchlaufinstanz begreifen, sie müssen dort künftig alles Relevante vortragen. Nicht nur die neue Justizreform zwingt sie dazu, auch die möglichen Regressansprüche ihrer Mandanten. Die Anwälte werden lernen, damit umzugehen. Schließlich geht es um die Interessen ihrer Mandanten, nicht um ihre eigenen.

Auch viele Richter fürchten um ihre Pfründe. Manche sperren sich nicht nur gegen Däubler-Gmelins Reform, sondern gegen jedwede Änderungen. So tun sich einige Richter bereits schwer damit, ihre Arbeit auf Computer umzustellen. Und darum machen sie es auch nicht. Kein Unternehmen könnte sich das leisten. Richter lassen sich ungern in den Ablauf des Gerichts einbinden. Sie pochen auf ihre richterliche Unabhängigkeit, zeigen sich selten bei Gericht, arbeiten lieber zu Hause. Für eine effektivere Justiz indessen ist es unerlässlich, dass die Richter in die Abläufe bei Gericht integriert sind. Eine Justizreform kann noch so gut sein, ohne die Mitwirkung der Richter ist sie nichts.

Doch es sind nicht nur die Richter, die einer Modernisierung der Justiz zuweilen im Wege stehen, es sind vor allem die Zustände der Gerichte. Das kleinste Unternehmen ist besser ausgestattet als ein Amtsgericht. Die Länder verwendeten 1999 durchschnittlich gerade mal 3,4 Prozent ihres Gesamthaushaltes für die Justiz (einschließlich des Strafvollzugs). Damit ist keine Reform zu machen. Bürgernäher, effizienter und transparenter kann die Justiz nur werden, wenn sie auch die Mittel dazu hat.

Beatrice von Weizsäcker

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