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Aufsicht. Ein Soldat der Bundeswehr sichert die Umgebung im Police-Trainings-Camp in Masar-i-Scharif. Foto: W. Kumm / dpa

© picture alliance / dpa

Mehr Waffen als Kontrolle: Deutschland finanziert 134.000 Polizisten in Afghanistan

Die Bundesregierung unterstützt nicht nur die offiziellen Sicherheitskräfte, sondern auch die Ausbildung privater Milizen in Afghanistan. Was genau mit Geld und Waffen geschieht, weiß offenbar keiner.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Bis 2014 will die internationale Gemeinschaft ihre Truppen aus Afghanistan abgezogen haben – spätestens dann sollen die Afghanen selbst für ihre Sicherheit sorgen. Zu verhindern gilt es vornehmlich, dass ein Machtvakuum entsteht, in das die Taliban treten könnten. Zehn Jahre Arbeit, Milliardeninvestitionen und 3000 Tote für das Ziel, Afghanistan in einen sicheren, stabilen Staat zu verwandeln, sollen nicht umsonst gewesen sein.

Eine Priorität hat für die Truppen vor Ort darum die Ausbildung der afghanischen Polizei, ANP, die um 23 000 auf 157 000 Mann verstärkt werden soll, und der afghanischen Armee, ANA, für die bis 2014 mehr als 250 000 Soldaten ausgebildet werden sollen . Um Aufständische zu bekämpfen, werden derzeit aber auch private Milizen von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Die sogenannten Hilfspolizisten in den Provinzen bekommen Geld, Uniformen und Waffen, damit sie für Ruhe sorgen. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion, die dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass die Bundesregierung kaum gewährleisten kann, dass die von Deutschland gelieferten Waffen nicht in falsche Hände geraten. Weder gebe es Zahlen darüber, wie viele der Hilfssheriffs ihrer Aufgabe über die verabredete Zeit lang nachkommen. Noch sei bisher auch nur einer der lokalen Sicherheitskräfte nachweislich, wie es Idee war, nach der Ausbildung in den Dienst der offiziellen ANP getreten.

„Es ist eine einzige Katastrophe, was da passiert“, sagt Ulla Jelpke, die für die Linkspartei im Bundestag sitzt. Ihre Fraktion hatte die Anfrage Anfang November an die Bundesregierung gestellt. An der Antwort schockiert sie vor allem, dass offenbar niemand prüft, ob die Hilfspolizisten vertrauenswürdig sind. Einstellungstests und Personenüberprüfungen seien zwar vorgesehen, würden aber nicht flächendeckend umgesetzt, heißt es in der Stellungnahme. Offenbar weiß man in Deutschland nicht einmal, wen man alles unterstützt. „Eine Übersicht über alle Ausbildungsprogramme liegt der Bundesregierung nicht vor.“

Auch auf die Frage, inwiefern sich die Einbindung örtlicher Milizen bisher bewährt habe, konnte oder wollte die Regierung keine Antwort geben. „Zum Beitrag der Gruppen zur Sicherheitslage in den jeweiligen Einsatzgebieten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor“, heißt es. Zu den größten lokalen Milizen zählen die ALP, die ANAP und die APPF. Über Letztere wird in der Regierungsantwort gesagt: Sie verfüge „derzeit nur eingeschränkt über die nötigen Kapazitäten, Sicherheitsaufträge zu erfüllen“.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, wie viel Geld jährlich aus Deutschland zur Unterstützung inoffizieller Sicherheitstruppen nach Afghanistan fließen.

Im Jahr 2011 flossen aus Deutschland mindestens 30 Millionen Euro in die Schulung und Unterstützung der ANP und inoffizieller Sicherheitstruppen. Afghanistan selbst trägt drei Prozent der Kosten für die Ausbildung seiner Polizei. Mindestens 25 000 Menschen, so steht es in dem Bericht des Bundes, wurden bislang für Hilfspolizeitruppen rekrutiert. Derzeit finanziert Deutschland rund 134 000 offizielle Polizisten in Afghanistan. 2006 hatte man noch mit 62 000 geplant, nun soll die Zahl bis 2014 auf 157 000 aufgestockt werden.

Laut UN gibt es zahlreiche Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen durch die afghanische Polizei. Immer wieder würden bewaffnete Sicherheitskräfte rauben und Frauen vergewaltigen. In Berichten des Pentagons heißt es, etliche Polizisten seien drogenabhängig oder durch kriminelle Handlungen aufgefallen. Nur einem Bruchteil der Hinweise werde aber überhaupt nachgegangen.

Der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour sagte dem Tagesspiegel, das Konzept zur Stärkung der Polizei in Afghanistan sei höchst zweifelhaft. Es böte keinerlei Absicherung dafür, dass diejenigen, die mithilfe des Auslands ausgebildet würden, nicht jetzt oder später für die Warlords arbeiteten. Die Einbindung lokaler Organisationen sei ein reiner Notbehelf gewesen und falsch angegangen worden. „Hätte man von Anfang an die Nationalpolizei vernünftig aufgebaut, wäre sie auch nicht nötig gewesen.“

Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte als Reaktion auf die Regierungsantwort, „von einer Übergabe der Verantwortung an die Polizei in Afghanistan kann keine Rede sein“.

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