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Politik: Mehr Zulauf als Madonna: 1,5 Millionen Jugendliche aus aller Welt beten mit dem Papst - warum nur? (Kommentar)

Wann hat es das in der Ewigen Stadt gegeben? Mehr Besucher als Einwohner bevölkern in diesem Sommer ihre Straßen und Plätze.

Wann hat es das in der Ewigen Stadt gegeben? Mehr Besucher als Einwohner bevölkern in diesem Sommer ihre Straßen und Plätze. 1,5 Millionen Jugendliche aus 160 Ländern sind nach Rom gekommen, weil ein alter Mann sie eingeladen hat: Johannes Paul II. Die enorme Resonanz bezeugt ein bemerkenswertes Phänomen: Je älter der Papst wird, desto größer wird offenkundig seine Anziehung auf junge Leute. Diese haben nie ein anderes katholisches Oberhaupt erlebt als Karol Wojtyla, der vor 22 Jahren sein Amt antrat. Sie alle pilgern im Heiligen Jahr in die katholische Zentrale, um dem Papst zuzujubeln und am vatikanischen Mega-Event mit Bet-Marathon, Großmesse und Massenbeichten teilzunehmen.

Es wäre allerdings vorschnell, das Rekordtreffen der Weltjugend einfach abzutun als ein oberflächliches Happening mit dem Papst als Popstar. Die Sache geht tiefer. Denn es zeigt sich da eine Renaissance des Religiösen, die selbst die alternde Schar kirchlicher Würdenträger überrascht. Viele der jungen Leute, die nach Rom gekommen sind, interessieren sich wieder für die zentralen Fragen des Glaubens: die Botschaft Christi, das Gebet, die Menschwerdung Gottes, das Streben nach Gerechtigkeit und die Messias-Verheißung im Alten Testament. Zu ihnen gehören die als ultrafromm belächelten Mitglieder der neuen geistlichen Bewegungen ebenso wie die "normalen" diözesanen Jugendverbände, die sich seit früher eher mit kritischen Stellungnahmen als mit Bekenntnissen zum Papst profiliert hatten.

In beiden Gruppen ist jetzt eine junge Generation herangewachsen, die nicht mehr in den Kategorien von "fromm und rechts" oder "kritisch und links" denkt, sondern sich stärker auf den religiösen Kern ihres Christseins besinnt. Anders als bei ihren Eltern gehören für sie Zölibat, Frauenpriestertum und Demokratisierung nicht mehr zu den primären Forderungen an die Gestalt der Kirche.

Das zeigt zweierlei: Die Attraktivität und globale Integrationskraft der katholischen Kirche ist nach wie vor enorm. Das übersehen viele, denen das autoritäre und monarchische Gehabe ein so starker Dorn im Auge ist, dass dies ihren Blick für die Lebensfantasie und Vitalität der christlichen Basis trübt. Zudem verfügt die Kirche nach wie vor über eine beträchtliche innere Substanz - vor allem in Südamerika, Afrika und Asien, allerdings weniger in Europa. Den westlichen Kirchen laufen die jungen Leute davon. Der deutsche Katholizismus wirkt oft gelähmt und grüblerisch. Dagegen hilft eine frische Brise Weltkirche. Ermutigung kommt heute aus Rom: für den deutschen Katholizismus eine besondere Erfahrung.

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