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Politik: Mehr Zynismus oder mehr Geld - der Schuldenerlass für die armen Länder fällt zu gering aus

Nun werden sie entschuldet, die Ärmsten der Armen. Rund 70 Milliarden Dollar nehmen die Reichen der Welt von ihren Schultern, um sie zu entlasten und ihnen wirtschafts- und finanzpolitische Bewegungsfreiheit zurückzugeben.

Nun werden sie entschuldet, die Ärmsten der Armen. Rund 70 Milliarden Dollar nehmen die Reichen der Welt von ihren Schultern, um sie zu entlasten und ihnen wirtschafts- und finanzpolitische Bewegungsfreiheit zurückzugeben. 70 Milliarden Dollar - was ist das bei einer Gesamtverschuldung von 2171 Milliarden Dollar? Nicht viel. Und sicher nicht genug.

Ein bisschen Entschulden wird den Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens nicht dauerhaft helfen. Das Geld - auch wenn jetzt erklärt wird, damit werde die Armut wirksam bekämpft - wird korrupte Systeme eher stabilisieren als reformieren. Es wird für ein paar Jahre Ruhe schaffen. Spätestens dann werden die Auslandsschulden der Länder der Dritten Welt wieder auf der Tagesordnung internationaler Konferenzen stehen. Allein die Zinsen und die Inflation werden in den meisten Ländern für ein rasches Wiederanwachsen der Auslandsverschuldung sorgen.

Im Grunde gibt es nur zwei echte Handlungsalternativen für die internationale Staatengemeinschaft: Entweder sie tut gar nichts und hofft darauf, dass irgendwann ein Punkt kommt, an dem sich diese Länder selbst aufrappeln und wirkliche Reformen starten. Diese Therapie geht davon aus, dass nur dann nachhaltige Verbesserungen eintreten, wenn der Leidensdruck so groß wird, dass ein Therapiezwang aus eigenem Antrieb entsteht. Der Zwang, ein geordnetes Staatswesen überhaupt erst zu etablieren, das Rechtssicherheit oder die Steuerhoheit des Staates durchsetzt. Dann ist Hilfe nötig.

Die Alternative: Die Reichen sehen das Elend, die Finanznot, den Hunger und die Krankheiten in den Ländern und handeln entschlossen - bevor die Länder den Tiefpunkt ihrer Entwicklung durchschritten haben. Sie schreiben die Auslandsschulden ab, erzwingen Reformen, ein transparentes Bankensystem und machen vor allem klar: Das war das letzte Mal. Das ist eine humane Therapie, die den Wertvorstellungen und Normen der industrialisierten Welt entspricht. Wie eine solche entschlossene Entschuldung mit dem Zwang zu politischen und wirtschaftlichen Reformen verbunden werden kann, ist jedoch unklar. In vielen Ländern der Dritten Welt gibt es nicht einmal Ansatzpunkte für eine solche Hilfe.

Das Hauptproblem aber ist, dass sich die Reichen weder für das eine noch für das andere entschieden haben. Das erste Szenario erfordert eine große Portion Zynismus, das zweite viel Geld. Deshalb wird nun ein bisschen hiervon und ein wenig davon getan. Eine attraktive Mischung für das Gewissen der aufgeklärten Industriegesellschaft, eine fatale Kombination für die Länder Afrikas und Asiens. Die Vereinbarung, das Geld solle zur Bekämpfung der Armut eingesetzt werden, lässt sich kaum durchsetzen. Wer soll das tun? Der IWF, die Weltbank? Diese Institutionen haben keine Durchgriffsmöglichkeiten auf die Regierungen. Selbst aussichtsreichen Reformländern wie Argentinien aber gelingt es kaum, ihr Staatswesen, ihre Wirtschaft und ihr Finanzsystem nachhaltig in Ordnung zu bringen. Die afrikanischen Länder schaffen das erst recht nicht. Sie alle werden sich darauf verlassen, dass ihnen wieder geholfen wird. Sie werden neue Kredite zu horrenden Zinsen bekommen - weil auch die Finanziers darauf spekulieren, dass am Ende eine neue Schuldeninitiative stehen wird. Wirklich geholfen wird so nicht.

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