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Politik: „Meine Frau würde das witzig finden“

Der CSU-Politiker Günther Beckstein über seine Partei, das Familienbild der Union – und Selbstgespräche

Wenn nicht noch der Himmel auf Bayern fällt, werden Sie bald Ministerpräsident Ihres Landes sein. Haben Sie Lampenfieber?

Ich bin ein nüchterner Mensch. Ich sage mir: In der Politik fallen Entscheidungen, wenn die zuständigen Gremien abstimmen. Ich werde mich nicht eher als Ministerpräsident oder auch nur als halber Ministerpräsident fühlen, bevor nicht der Landtagspräsident den Eid abgenommen und die Urkunde übergeben hat.

Kein kleines bisschen Vorfreude?

Über mich hat man schon zweimal geschrieben, dass ich dies oder jenes werde. Jedes Mal ist es anders gekommen. Deshalb, aber auch aus Respekt vor der Entscheidung der Gremien – diesen Respekt hat uns insbesondere eine Landrätin aus Fürth ziemlich stark eingebläut –, warte ich erst mal ab. Bis Ende September mache ich meine Arbeit als Innenminister, und zwar zu 100 Prozent. Für alles weitere zitiere ich die Worte des mit berühmtesten Bayern, der derzeit lebt: Schau’n mer mal.

Klar ist ja wohl, dass der CSU eine Ämterteilung bevorsteht. Was spricht eigentlich dafür, außer dass es das Einfachste ist?

Es ist für längere Zeit gar nicht denkbar, dass eine Person beide Ämter in derselben Weise ausfüllt, wie Edmund Stoiber das getan hat. Stoiber war in Bayern präsent bei jedem Ortsverband, der Jubiläum feierte. Gleichzeitig war er auf der Berliner Bühne überaus präsent, nicht nur im Bundesrat, sondern auch im Koalitionsausschuss. Und er war in der Europapolitik mit Rieseneinsatz dabei. Das war ihm nur möglich mit seiner Erfahrung aus 30 Jahren an der Spitze der Politik. Künftig ist dagegen schon allein aus funktionalen Gründen eine Trennung der Ämter sinnvoll und richtig.

Ist es auch richtig, dass sich Erwin Huber und Horst Seehofer ein halbes Jahr lang einen Wahlkampf um den Parteivorsitz leisten? Das muss doch böses Blut geben!

Es war gut, dass wir in der CSU-Spitze viele Stunden miteinander gesprochen haben, in unterschiedlichen Runden, manchmal auch unter vier Augen. Am Anfang war die Anspannung noch vergleichsweise stark. Als Edmund Stoiber vorigen Montag dem Parteivorstand berichtete, dass es zwei Kandidaten gibt und dass wir schauen müssen, dass das in aller Fairness abläuft, da war die Situation schon fast entspannt.

Anspannungen zwischen wem?

Zwischen allen Beteiligten. Wir sind in der CSU ja keine Gegenkandidaturen in der Spitze gewohnt. Ich kann mich nicht einmal bei Stellvertretern oder Schatzmeistern an strittige Entscheidungen erinnern. Es gab immer das Dogma der Geschlossenheit. Die Situation war daher neu für uns. Aber ich glaube, dass wir damit fertig werden, ohne Gräben aufzureißen.

Einer bleibt als Verlierer auf der Strecke.

Dass es bei uns keine Doppelspitze geben kann wie bei den Grünen, ist klar. Einer muss gewählt werden. Wir müssen uns aber auch darüber klar sein, dass der andere dann in der Führungsebene weiterhin eine wichtige Rolle zu spielen hat.

Und wenn der gar nicht will? Wenn zum Beispiel ein unterlegener Horst Seehofer sagt, dann scheide ich ganz aus?

Seehofer hat in den internen Gesprächen gesagt: Selbstverständlich werde ich bei einer Niederlage weiter mitarbeiten und den gewählten Vorsitzenden unterstützen. Wir sind uns alle klar darüber, dass, egal wie es ausgeht, Erwin Huber und Horst Seehofer mit allen anderen aus der Führungsebene gemeinsam eine starke Spitze bilden müssen. Denn ein halbes Jahr später haben wir schon Kommunalwahlen in Bayern, ein Jahr später bei den Landtags- und Bezirkstagswahlen geht es um die Frage: Erreichen wir 50 plus x der Stimmen, also die absolute Mehrheit? Dafür müssen wir kämpfen. Das steht nämlich nicht in der Verfassung, nicht einmal in der bayerischen.

Könnte man das jetzt mit Zwei-Drittel- Mehrheit nicht noch schnell ändern?

(Scherzhaft) Ich gestehe, dass ich das mal überlegt hatte – aber im Ernst: Wir müssen den Wähler überzeugen, dass wir besser sind als die anderen zusammengenommen. Ich traue uns das zu – wenn wir vernünftig miteinander umgehen und nach den Entscheidungen zusammenstehen.

Apropos Umgang: Horst Seehofer hat sich übergangen gefühlt von Ihrer Absprache mit Erwin Huber. Warum haben Sie ihn nicht rechtzeitig mit einbezogen?

Es wird ja jetzt sehr deutlich, dass diese Vorgespräche keine Entscheidung waren, noch nicht einmal eine Vorentscheidung. Es wurde niemand übergangen. Dass Horst Seehofer seine Ansprüche anmeldet, ist legitim. Er ist einer der vier Stellvertreter von Stoiber. Entscheiden werden die Delegierten des Parteitags. Sie müssen sagen, wem sie stärker zutrauen, die Funktionen eines Parteivorsitzenden wahrzunehmen – von bundespolitischer Repräsentanz bis zur Betreuung einer Volkspartei mit 180 000 Mitgliedern.

Sie selbst haben eine klare Präferenz für Erwin Huber. Warum eigentlich?

Ich denke, das zu äußern, ist legitim. Wer in der Parteiführung ist, hat seine Meinung zu sagen und sich nicht hinter anderen zu verstecken. Beide Kandidaten werden sich in den nächsten Monaten der Partei vorstellen, da werden sich dann noch andere festlegen. Aber niemand ist gezwungen, sich zu erklären.

Welche Gründe haben Sie denn für Ihre Festlegung auf Huber, mit dem Sie sich ja nicht immer gut verstanden haben?

Ich kenne Erwin Huber schon lange. Ich hatte früher auch schon mal harte Auseinandersetzungen mit ihm, etwa bei der Verwaltungsreform. Das gehört für mich aber zu den Stärken einer freundschaftlichen Beziehung, dass man nicht nur Honeymoon-Themen hat, sondern manchmal auch einen gscheiten Krach miteinander. Danach haben wir uns immer wieder gut und freundschaftlich ausgetauscht. Ich schätze seine Arbeit, kenne sie auch sehr gut. Außerdem hatte Erwin Huber schon als Generalsekretär eine enge Beziehung zur Partei – was von enormer Bedeutung ist.

Und mit Horst Seehofer verstehen Sie sich nicht so gut?

Selbstverständlich könnte ich auch mit Seehofer gut zusammenarbeiten. Ich rede ja nicht gegen ihn. Ich sage nur: Ich habe eine Präferenz für Huber.

CSU-Generalsekretär Markus Söder findet, Huber stehe der Wirtschaft näher und sei darum der Bessere.

Jeder Vorsitzende muss sowohl für Wirtschafts- als auch für soziale Fragen offen und qualifiziert sein. Die CSU ist Volkspartei. Wir sind nicht wie die FDP, die sich mal als Partei der Besserverdienenden definiert hat. Das sind zehn oder, wenn’s besonders gut läuft, zwölf Prozent der Wähler. Wir wollen aber deutlich über 50 Prozent. Zwei Drittel der Bürger müssen sagen können: Die vertreten unsere Interessen.

Faktisch sind aber beide Kandidaten profilierte Flügelvertreter – der eine ein Reformer, der andere ein Sozialer. Wenn Norbert Blüm plötzlich erzählen würde, er vertrete auch die Interessen der Wirtschaft, würde man doch bestimmt nachdenklich ...

Horst Seehofer hat als Gesundheitsminister eine Reform gemacht, bei der ich nicht unbedingt die Blüm’sche Handschrift erkenne. Ich kenne die Klischees. Aber ich weiß auch, dass sich Erwin Huber – wie übrigens auch Seehofer – aus kleinen Verhältnissen selbst hochgearbeitet hat. In der Biografie sind sich beide näher, als viele glauben. Und beide haben zweifellos die Fähigkeiten, die Breite unseres Landes zu verkörpern.

Sie haben betont, wie wichtig Bayern für die CSU ist. Was heißt das für Ihre künftige Politik in Berlin?

Sie fragen nicht den Ministerpräsidentenkandidaten, sondern den Politiker Beckstein, der schon mal für bestimmte Ämter auf Bundesebene im Gespräch war?

Wenn Sie’s so genau nehmen: ja.

Also: Ich bin fränkischer Bayer. Ich habe aber immer hervorgehoben, dass ich auch ganz bewusst Deutscher bin. Es ist wichtig, Bayern starkzuhalten, aber als Teil Deutschlands. Wir sind nicht eine reine Bayernpartei. Und ich versichere Ihnen: Die CSU wird ihre politische Funktion auf Bundesebene nicht einbüßen.

Auch dann nicht, wenn ein CSU-Chef Huber erst 2009 nach Berlin gehen würde?

Selbst wenn Erwin Huber noch eine Zeit lang Minister in einem Kabinett Beckstein wäre, sehe ich keine großen Schwierigkeiten. Wir werden in Berlin in mindestens derselben Lautstärke zu hören sein wie jetzt. Natürlich hatte Edmund Stoiber, der mit 6000 Stimmen ganz knapp die Kanzlerschaft verfehlt hat, ein unvergleichliches Gewicht. Aber wir werden der CSU auch in Berlin gebührenden Einfluss sichern. Daran wird übrigens auch die CDU ein wohlverstandenes Interesse haben. Die Union wäre ohne die CSU sehr viel ärmer.

Angela Merkel hat seinerzeit mit allen Mitteln versucht zu verhindern, dass Horst Seehofer Minister in ihrem Kabinett wird. Sie wollte sogar Erwin Huber aus Bayern abwerben. Würde nicht ein CSU-Chef Seehofer zur ständigen Provokation in Berlin?

Es gibt doch in jeder Zusammenarbeit Phasen, wo es gutgeht, und andere, in denen es schwieriger ist. Ich höre, dass Frau Merkel mit Herrn Seehofer im zurückliegenden Jahr gut zusammengearbeitet hat. Aber wie gesagt, im Leben gibt es gute und schwierigere Tage. Ich kenne so etwas sogar aus familiären Beziehungen.

Gutes Stichwort: In der Familienpolitik streiten sich derzeit Reformer um Ministerin von der Leyen heftig mit Traditionalisten. Kein gutes Beispiel für Einigkeit, oder?

Meine Position ist eindeutig. Ausdrücklich muss ich Frau von der Leyen recht geben, wenn sie sagt, bei der Infrastruktur für die außerfamiliäre Betreuung von Kindern gibt es Defizite. Hier einen Ausbau zu fordern, ist richtig und notwendig. Aber für die CSU ist es unabdingbar, gleichzeitig zu sagen: Wenn eine Frau – oder ein Mann – bewusst zu Hause bleibt, um ein Kind zu versorgen, ist auch das zu hundert Prozent zu unterstützen. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass es nur darum geht, Kinder möglichst schnell nach der Geburt einer sozialen Einrichtung anzuvertrauen.

Will sagen: Frau von der Leyen hat recht mit ihrem Ruf nach mehr Kindertagesstätten, nur die Begründung ist falsch?

Ich habe Frau von der Leyen vor kurzem in einem Vortrag gehört. Darin habe ich mich zu 95 Prozent wiedergefunden. Darum bin ich nicht bereit, die ganz großen Gegensätze zu sehen. Sie hat zwar Sprüche drauf, die manchen Mann schlucken lassen – wenn sie so dahersagt: „Diese männlichen Alphatierchen, die sind Vergangenheit.“ Aber ich sag’ mir dann: Meine Frau, wenn sie das hören würde, würde das witzig finden. Und das macht es dann für mich wieder erträglicher.

Sie haben sich selbst als Mann des Übergangs bezeichnet. Was kommt danach?

In der Demokratie ist jeder ein Mann des Übergangs. Man wird nämlich nicht auf Lebenszeit gewählt ...

... nicht mal in Bayern?

Bei uns wird ein Vorsitzender immerhin auf zwei Jahre gewählt – bei der SPD sind das, wenn ich mich recht erinnere, zwei Monate in letzter Zeit. Also, es ist ganz gut, wenn man sich diese Begrenzung immer vor Augen hält. Es ist eine Führungsaufgabe, Jüngere mit in die Verantwortung zu nehmen. Andererseits werden wir auch von Älteren gewählt, und auch die wollen sich natürlich in der Führungsspitze vertreten sehen.

Hat der Landesinnenminister für den Fall, dass er Ministerpräsident wird, schon ein Schattenkabinett im Kopf?

Wenn ich einen schweren Fehler begehen wollte in einer monatelangen Diskussion, dann würde ich mir solche Gedanken machen und mit anderen schon mal drüber reden. Meine Erfahrung ist: Was drei Leute miteinander besprechen, steht am nächsten Tag in der Zeitung. Ich hab’s erlebt, dass sogar Selbstgespräche in der Zeitung standen. Die führ’ ich seitdem gar nicht mehr.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Rainer Woratschka.

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