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Xi Jinping, Staats- und Parteichef

© dpa/Ng Han Guan

Update

Xi Jinping unterschreibt Sicherheitsgesetz: China verstärkt den Griff auf Hongkong – Pro-Demokratie-Partei löst sich auf

Chinas umstrittenes Sicherheitsgesetz für Hongkong tritt in Kraft. Die Anführer der Demokratiebewegung fürchten um ihre Sicherheit und ziehen sich zurück.

Nach der Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping das Dekret am Dienstag unterzeichnet. Damit tritt es per Erlass in Kraft, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag berichtete. Der Ständige Ausschuss des Volkskongresses hatte das Gesetz zuvor einstimmig angenommen.

Die 162 Abgeordneten stimmten ferner dafür, es unter Umgehung des Hongkonger Parlaments als Anhang unter Annex III in das Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion aufzunehmen. Parlamentschef Li Zhanshu forderte „resolute und wirksame Bemühungen zum Schutz der nationalen Sicherheit, der verfassungsmäßigen Ordnung und der Herrschaft des Rechts“ in Hongkong.

Zum Abschluss der dreitägigen Sondersitzung sagte der Parlamentschef weiter, der Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“, nach dem Hongkong seit der Rückgabe 1997 an China autonom verwaltet wird, solle „in die richtige Richtung gesteuert“ werden, wie die Staatsagentur zitierte.

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Wie Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam zuvor in einer Videobotschaft vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf versicherte, soll das Gesetz nicht rückwirkend gelten. Die demokratischen Kräfte hatten befürchtet, dass ihnen nachträglich noch Vergehen angelastet werden könnten, weil der Gesetzestext bislang geheim gehalten worden war.

Das Sicherheitsgesetz stößt in Hongkong und auch international auf scharfe Kritik. Es ist der bisher weitestgehende Eingriff in die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Mit dem Gesetz, das als Anhang ins Grundgesetz des autonomen Territoriums aufgenommen wird, umgeht die kommunistische Führung das Hongkonger Parlament.

Hongkonger Polizei geht gegen pro-demokratische Demonstranten vor (Archivbild vom 12. Juni 2020)
Hongkonger Polizei geht gegen pro-demokratische Demonstranten vor (Archivbild vom 12. Juni 2020)

© AFP/Anthony Wallace

Anführer der Demokratiebewegung treten aus Furcht zurück

Joshua Wong und andere Führer der Hongkonger Demokratiebewegung verkündeten als Sorge um ihre Sicherheit nach dem Erlass des Gesetzes den Rücktritt aus ihrer Partei. Mit dem Sicherheitsgesetz vor der Tür sei es „kein Unsinn“ für Anhänger der Demokratiebewegung, sich um Leben und Sicherheit zu sorgen, schrieb Wong am Dienstag auf Facebook und teilte seinen Rücktritt als Generalsekretär der 2016 gegründeten Partei Demosisto mit. 

Der weltweit bekannte Aktivist schrieb weiter, er glaube nicht, dass sich an der Beharrlichkeit der Hongkonger durch das neue Gesetz oder andere „drakonische Gesetze“ etwas ändern werde. Er wolle weiterhin in Hongkong bleiben, „bis sie mich zum Schweigen bringen und auslöschen.“ Auch die führenden Protest-Gesichter Nathan Law und Agnes Chow kündigten ihren Rücktritt an. 

Wenig später verkündete dann Demosisto ihre komplette Auflösung. „Nach vielen internen Überlegungen haben wir beschlossen, alle Operationen als Gruppe unter den gegebenen Umständen einzustellen“, teilte Demosisto mit. Bisherige Demosisto-Mitglieder würden weiterhin nach Wegen suchen, die „totalitäre Unterdrückung“ zu durchbrechen.

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Von der Leyen sieht „sehr negative Konsequenzen“ für China

Die Spitzen der Europäischen Union und der Nato zeigten sich besorgt die Verabschiedung des Gesetzes. „Diese neue Gesetzgebung steht weder mit dem Grundgesetz Hongkongs noch mit Chinas internationalen Verpflichtungen im Einklang“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. China müsse mit „sehr negativen Konsequenzen“ rechnen. So dürften beispielsweise das Vertrauen von Unternehmen und Chinas Reputation sinken.

Das Sicherheitsgesetz untergrabe die Autonomie Hongkongs und werde sich nachteilig auf die Unabhängigkeit der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit auswirken. „Die bestehenden Rechte und Freiheiten der Bürger Hongkongs müssen geschützt werden“, sagte von der Leyen.

Ähnlich äußerten sich auch EU-Ratspräsident Charles Michel und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Stoltenberg sagte: „Es ist offensichtlich, dass China nicht unsere Werte teilt.“ Das gelte für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Das neue Sicherheitsgesetz untergrabe die Autonomie und Freiheit der Bürger.

Von der Leyen äußerte sich am Rande einer Videokonferenz mit Südkoreas Präsident Moon Jae In zu den jüngsten Entwicklungen. Stoltenberg kommentierte das Sicherheitsgesetz bei einer Online-Diskussionsveranstaltung des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg.

EVP-Fraktionschef Weber: „Hongkong ist das neue Berlin“

Als Reaktion fordern Aktivisten und Menschenrechtspolitiker internationale Sanktionen. So sollte der wegen der Corona-Krise verschobene, aber weiter geplante EU-China-Gipfel unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft abgesagt werden, forderte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP). Es müsse auf deutscher oder besser noch auf europäischer Ebene Strafmaßnahmen gegen China geben.

Der EVP-Fraktionschef im EU-Parlament, Manfred Weber, erhofft sich von der am 1. Juli beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch ein selbstbewussteres Auftreten gegenüber China. „Unsere Werte sind massiv unter Druck geraten“, sagte Weber der „Rheinischen Post“. „Ich möchte nicht, dass China der Gewinner aus der Krise ist und sein autoritäres Staatssystem fälschlicherweise als das bessere propagiert.“

Die EU müsse ihre Werte besser verteidigen. „Hongkong ist heute das neue Berlin. John F. Kennedy hat gesagt: Ich bin ein Berliner. Ich sage heute: Ich stehe an der Seite der Bürger in Hongkong.“

US-Außenminister Mike Pompeo
US-Außenminister Mike Pompeo

© AFP/Andrew Caballeroro-Reynolds

USA beenden Rüstungsexporte nach Hongkong

Als Reaktion auf den Erlasse des Gesetzes stoppten die USA den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. Zudem wird die Ausfuhr von Technologien, die dem Militär dienlich sein könnten, künftig den gleichen Beschränkungen unterliegen wie Exporte nach China. „Wir können nicht mehr unterscheiden zwischen dem Export kontrollierter Waren nach Hongkong oder auf das chinesische Festland“, sagte US-Außenminister Mike Pompeo.

Die USA könnten nicht das Risiko eingehen, dass solche Güter Chinas Militär in die Hände fielen, dessen wichtigste Aufgabe es sei, „die Diktatur“ der kommunistischen Partei aufrechtzuerhalten.

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Die US-Regierung hatte bereits Ende Mai angekündigt, der chinesischen Sonderverwaltungsregion wegen der zunehmenden Einmischung Pekings einen vorteilhaften Rechtsstatus streichen zu wollen.

Neben den Exportkontrollen soll dies auch Zölle und die Vergabe von Visa betreffen, wie es damals hieß. Die USA sehen in dem Sicherheitsgesetz eine klare Verletzung von Hongkongs Autonomie und Freiheitsrechten. (dpa)

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