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Chen Guangcheng (links) unterhält sich mit dem US-amerikanischen Botschafter in China, während sie die Botschaft für einen Krankenhausbesuch verlassen.

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Update

Menschenrechtsaktivist: China: Dissident Chen darf ausreisen

Der aus dem Hausarrest geflohene blinde Bürgerrechtler Chen soll ohne Verzögerung seine Reisedokumente bekommen und kann in die USA ausreisen. Es wurde offenbar ein Modus gefunden, bei dem China sein Gesicht wahren kann.

China hat zugestimmt, dem geflohenen Bürgerrechtler Chen Guangcheng ohne Verzögerung seine Reisedokumente zu geben, sagte ein US-Vertreter. Der Fall hatte die Beziehungen zwischen China und den USA stark belastet, nachdem Chen am 22. April aus dem Hausarrest vorübergehend in die US-Botschaft in Peking geflüchtet war.

Die Führung in Peking hatte Chen freigestellt, einen Antrag für ein Studium im Ausland zu stellen. Wenn Chen im Ausland studieren wolle, könne er „wie die anderen chinesischen Bürger“ einen Antrag bei den zuständigen Behörden stellen, hieß es in einer am Freitag im Internet veröffentlichten Erklärung des chinesischen Außenministeriums. Der blinde Bürgerrechtler hat nach Angaben eines Unterstützers eine Einladung einer New Yorker Universität.

Zuletzt hatten Fotos der US-Regierung den blinden Menschenrechtsaktivisten am Mittwochnachmittag beim Verlassen der US-Botschaft in Peking gezeigt, anscheinend in guter Stimmung. Dankbar umarmte der 40-jährige Dissident einen Ministerialdirektor, freundlich gab er dem US-Botschafter die Hand und lachte in die Kamera.

Als ihn jedoch einige Stunden später nachts im Chaoyang-Krankenhaus die internationalen Medien erreichen, ist er verzweifelt und fürchtet um sein Leben. „Niemand von der US-Botschaft ist hier“, sagt er einem britischen Fernsehsender, „ich verstehe nicht, warum, sie hatten versprochen, da zu sein.“ Später beginnt er zu weinen, wegen „allem, was ich in den letzten Tagen durchgemacht habe“.

Der chinesische Dissident Chen Guangcheng (r.) mit seiner Frau und seinem Sohn
Der chinesische Dissident Chen Guangcheng (r.) mit seiner Frau und seinem Sohn

© dapd

Am Tag, nachdem Chen Guangcheng die US-Botschaft verlassen hatte und sich zur Behandlung in das Chaoyang-Krankenhaus in Peking begeben hatte, war sein weiteres Schicksal völlig offen. Der Dissident hatte in der Nacht seine Meinung geändert und will nun nicht mehr in China bleiben, sondern mit seiner Familie in die USA gehen. „Aus Sicherheitsgründen“, sagte Chen Guangcheng dem Nachrichtensender CNN, „in China kann alles passieren.“ Informationen seiner Frau, die ihm erzählte, nach seiner Flucht an einen Stuhl gefesselt worden und geschlagen worden zu sein, sowie der Rat seines Anwaltes haben ihn offenbar umgestimmt. Nun appelliert er an US-Präsident Barack Obama: „Bitte, tun Sie alles, um mich hier herauszuholen.“

Warum aber hat er überhaupt die Sicherheit der amerikanischen Botschaft verlassen? Zum einen fühlte sich Chen Guangcheng offenbar dazu genötigt, weil ein US-Beamter ihm die Nachricht der chinesischen Behörden überbracht hatte, seine Familie in die Heimatprovinz Shandong zurückzuschicken, wo sie erneut ihren Peinigern ausgesetzt gewesen wäre. Zum anderen hatte er 18 Monate im Hausarrest abgeschottet von der Außenwelt verbracht. Selbst nach seiner Flucht in die US-Botschaft fühlte er sich nicht vollständig informiert. Chen Guangcheng sagte CNN: „Ich durfte von der Botschaft aus nicht meine Freunde anrufen, ich konnte mich nicht auf dem Laufenden halten“. Nun fühlt er sich von den US-Offiziellen getäuscht.

Tatsächlich müssen sich die USA des Eindrucks erwehren, sie hätten den Aufenthalt Chen Guangchengs in ihrer Botschaft so schnell wie möglich beenden wollen, damit der diplomatische Streitfall nicht den US-China-Dialog überschattet, der am Donnerstag in Peking begonnen hat. Die USA gaben sich mit einer Vereinbarung mit der chinesischen Regierung zufrieden, wonach Chen Guangcheng, der bereits im Selbststudium umfassende Rechtskenntnisse erlangt hat, an einem „sicheren Ort“ in China ein Jurastudium aufnehmen könne. Menschenrechtsgruppen trauen dieser Vereinbarung nicht. „Die über Jahre entstandene Bilanz der chinesischen Regierung bei der Verfolgung von Chen und seiner Familie widerspricht jedem Anflug von Optimismus, dass die Autoritäten ihren Versprechen nachkommen und sich um das Wohlergehen kümmern“, sagte Renee Xia, Direktorin der Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders. Zudem fürchten die Menschenrechtsorganisationen um vier Aktivisten, die bei Chens Flucht geholfen haben.

US-Diplomaten verhandelten mit China über Chens Ausreise

Auch Chen selbst fühlte sich schon am ersten Abend im Krankenhaus schikaniert. „Ich kann jetzt Anrufe empfangen, aber ich kann nicht nach draußen wählen“, sagte er, „ich finde, meine Rechte werden bereits verletzt.“ Seine Frau berichtet, dass sie und die beiden Kinder das Krankenhaus nicht verlassen dürften.

US-Diplomaten bemühten sich offenbar, dem Wunsch der Ausreise zu entsprechen. Am Donnerstag nahm Ministerialdirektor Kurt Campbell wieder Kontakt mit der chinesischen Regierung auf, um über eine Ausreise zu verhandeln, wie die Sprecherin des State Departements, Victoria Nuland, bestätigte. Zweimal haben US-Beamte mit Chen Guangcheng am Donnerstag telefoniert, ob ihnen ein persönlicher Besuch im Krankenhaus verweigert worden ist, wurde nicht bekannt. US-Außenministerin Hillary Clinton äußerte sich bei der Eröffnung des US-China-Gipfels nicht zum Fall Chen, sondern forderte China allgemein zur Wahrung der Menschenrechte auf.

Noch am Donnerstag war unklar, ob die chinesischen Behörden Chen ausreisen lassen würden. Außenministeriumssprecher Liu Weimin weigerte sich, auf den Fall näher einzugehen. Stattdessen antwortete er auf die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage Chen nach seiner Haftentlassung unter Hausarrest stand: „Chen war nach seiner Entlassung ein freier Bürger, soweit ich weiß, lebte er in seiner Heimatstadt“. Nachdem ihn ein Journalist empört über den illegalen Hausarrest informiert hatte, sagte Liu Weinim: „Ich kenne nicht alle Details über jeden chinesische Bürger, wie ich sagte, China hat 1300 Millionen Menschen.“ (mit AFP)

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