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© dpa

Merkel in Afghanistan: Verteidigerin am Hindukusch

Bundeskanzlerin Merkel hat der afghanischen Regierung bei einem Überraschungsbesuch in Kabul mehr Hilfe zugesagt. Der Besuch fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt.

Bei einem von schärfsten Sicherheitsmaßnahmen begleiteten Kurzbesuch in Afghanistan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel der Regierung in Kabul ein stärkeres deutsches Engagement bei der Polizeiausbildung in Aussicht gestellt. "Wir wollen schauen, ob wir im Rahmen der Haushaltsberatungen hier noch einmal einen Akzent setzen können", sagte Merkel nach einem Gespräch mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Kabul. Am Abend flog sie nach Deutschland zurück.

Merkel trug bei den Flügen und Fahrten zwischen dem Isaf-Hauptquartier, dem Präsidentenpalast und dem Flughafen eine Splitterschutzweste. Bei dem Überraschungsbesuch wurden Autofahrten auf den gefährlichen Straßen Kabuls soweit wie möglich vermieden. Die Strecke vom militärischen Teil des Flughafens in die Innenstadt legte Merkel mit einem Hubschrauber zurück, der noch eigens von amerikanischen Kampfhubschraubern gesichert wurde.

Merkel: Afghanistan muss Schritt für Schritt Lage in die Hand nehmen

Bei dem Hubschrauberflug vom Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe Isaf zum Flughafen löste Merkels Hubschrauber einen Selbstschutzmechanismus gegen Raketen aus. Niemand kam zu Schaden. Auch bei dem anschließenden Flug zum Bundeswehrstandort in Masar-i-Scharif wurde ein Selbstschutzmechanismus ausgelöst. Grund für den automatischen Vorgang könnte jeweils eine Spiegelung gewesen sein. Zwischendurch sorgten Berichte über einen möglicherweise geplanten Selbstmordanschlag im Ausfahrtbereich des Kabuler Flughafens für Aufregung. Dort sei ein Attentäter festgenommen worden, hieß es in Masar-i-Scharif. Die Kabuler Polizei wies die Berichte entschieden zurück. Es habe keine Festnahmen gegeben.

Die Kanzlerin bezeichnete es als Ziel der deutschen Politik, Afghanistan "Schritt für Schritt" mehr in die Lage zu versetzen, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Der Wiederaufbau des Landes müsse stärker "ein afghanisches Gesicht" bekommen. Sie sehe Fortschritte in dem Land, aber auch Probleme. Karsai dankte Deutschland für die jahrelange "selbstlose Hilfe". "Wir Afghanen wissen alle, dass Deutschland einer der alten guten Freunde ist."

Kein dauerhafter Einsatz der Bundeswehr

Merkel lehnte einen dauerhaften Einsatz der Bundeswehr im umkämpften Süden Afghanistans erneut ab. Man werde zwar Bündnispartnern in der Not beistehen. Es wäre aber ein Fehler, wenn Deutschland seine Mission im Norden nicht im bisherigen Umfang fortsetzen würde. Merkel sagte den ARD-"Tagesthemen" auf die Frage nach der Dauer des Bundeswehreinsatzes, es müsse ein Plan entwickelt werden, nach dem afghanische Sicherheitskräfte die Dinge selbst übernehmen könnten. "Das ist sicherlich keine ganz kurze Zeit." Deutschland stellt mit über 3000 Soldaten das drittgrößte Kontingent der Nato-geführten Isaf.

Die Kanzlerin wollte mit ihrem Besuch vor allem ihren Dank an die deutschen Soldaten und die deutschen Entwicklungshelfer ausdrücken. Nachdem Merkel im Isaf-Hauptquartier mit Bundeswehrsoldaten gesprochen hatte, hob sie das Engagement der zivilen Aufbauhelfer ausdrücklich hervor. Der Aufbau Afghanistans könne nicht alleine mit militärischen Mitteln funktionieren.

Besuch in wiederaufgebauter Schule

Nach dem offiziellen Treffen mit Karsai besuchten Merkel und der Präsident Schülerinnen und Schüler in der Amani-Oberschule in Kabul, die mit deutscher Hilfe wiederaufgebaut wurde. Zum Abschluss ihres Besuchs flog sie zum größten Stützpunkt der Bundeswehr in Afghanistan. In Masar-i-Scharif ließ sie sich von Bundeswehrsoldaten über ihre Probleme berichten. Gleich nach ihrer Ankunft in Masar-i- Scharif besuchte sie eine Gedenkstätte für im Einsatz getötete Soldaten. Vor dem Gedenkstein verharrte sie für einen kurzen Moment.

Merkel war auf dem Flug von Berlin auf dem Luftwaffenstützpunkt Termes in Usbekistan von dem Regierungs-Airbus in eine Transall- Maschine der Bundeswehr umgestiegen, die sie nach Kabul brachte. Zuletzt hatte mit Gerhard Schröder im Herbst 2004 ein deutscher Regierungschef Afghanistan besucht. Der Bundestag hatte erst Mitte Oktober das Mandat für deutsche Isaf-Truppe verlängert, deren Auftrag die militärische Absicherung des Wiederaufbaus Afghanistans ist.

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Werner Hoyer erklärte, wenn Merkel Ende kommender Woche US-Präsident George W. Bush besuche, müsse sie auf eine Gesamtstrategie für Afghanistan dringen. Wolfgang Gehrcke, Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, kritisierte: "Dieser Blitzbesuch erfüllt nur einen Zweck - öffentlich zu demonstrieren, dass Deutschland seine Truppen nicht zurückziehen wird." (mit dpa)  

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