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Merkel in der Ukraine: Keine Geschenke für Kiew

Kanzlerin Merkel dämpft die Hoffnungen auf einen EU-Beitritt, verspricht der Ukraine aber Hilfe auf dem Weg in die Nato.

Der Besuch begann mit einer Panne. Auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum von Kiew verlor die Limousine von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine deutsche Standarte. Auf der Autobahn wurde kurzerhand gestoppt und schnell eine Ersatzflagge montiert. So erreichte Merkel rechtzeitig und mit „Beflaggung“ am Wagen die Residenz des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko.

Nur wenige Stunden hielt sich die Kanzlerin bei ihrer ersten offiziellen Visite in der Ukraine auf, doch beide Seiten nutzten die Gelegenheit, um noch einmal ihre Standpunkte abzustecken. Dabei dämpfte Merkel die Hoffnungen des zweitgrößten europäischen Landes auf eine schnelle Nato-Mitgliedschaft und gab auch keine Beitrittsperspektive für die Europäische Union.

Vor allem Deutschland und Frankreich sehen den möglichen Nato-Beitritt mit Skepsis. Doch Angela Merkel versuchte, den Eindruck zu korrigieren, dass Berlin die Ukraine auf keinen Fall in der Nato haben wolle. „Die Ukraine wird Nato-Mitglied, die politische Entscheidung wurde getroffen“, erklärte die Kanzlerin und kündigte eine „Navigationshilfe“ an, um das Land fit für den Beitritt zu machen. Merkel betonte zugleich mit Blick auf Russland, dass die Frage des Beitritts von der Allianz und Kiew und nicht „von Dritten“ entschieden werde. Damit widersprach sie Vorwürfen, der Westen sei gegenüber Drohungen des Kreml eingeknickt. Die Nato-Außenminister beraten im Dezember über eine Aufnahme der Ukraine in den „Aktionsplan für eine Mitgliedschaft“.

Merkel unterstrich, dass sie insgesamt den Weg des Landes in Richtung Westen unterstütze. Aus diesem Grund mache sie sich auch für ein Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU stark, stellte aber klar: „Das ist nicht zu verwechseln mit einer konkreten Beitrittsperspektive.“ Die Kanzlerin ließ durchblicken, dass die Ukraine es in der Hand habe, wie schnell sie sich in Richtung Westen bewege; eine Mahnung, dass der Rest Europas mit Besorgnis den Machtkampf zwischen Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko verfolgt. Er lähmt das ganze Land und verhindert wichtige Reformen.

Blieb die Kanzlerin auch selbst eher unverbindlich, so hätte sie beim Thema Energie wohl gerne konkretere Zusagen gehört. 80 Prozent der russischen Gaslieferungen fließen durch das Röhrensystem der Ukraine. Als der russische Energieriese Gasprom vor zwei Jahren im Streit mit Kiew den Hahn zudrehte, war das auch in Deutschland zu spüren. Und auch in diesem Frühjahr drohte der Streit zu eskalieren. Präsident Juschtschenko versicherte, dass die Ukraine ein verlässliches Transitland sei: „Wir werden sorgfältig unsere Verpflichtungen erfüllen.“

Knut Krohn[Warschau]

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