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Merkel in Russland: Gestörte Harmonie

Der Streit um die russischen Lieferungen von Öl und Gas nach Europa hat die langjährige Harmonie zwischen Berlin und Moskau merklich gestört.

Tomsk - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Wladimir Putin zeigten sich bei ihrem Treffen am Donnerstag im sibirischen Tomsk zwar in vielen Fragen einig, pochten aber auch auf ihre abweichenden Interessen als Kunde und Lieferant von Energie. Der deutsche BASF-Konzern besiegelte mit einem bisher einmaligen Abkommen den Einstieg in eines der größten Gasfelder Sibiriens. Im Atomstreit mit dem Iran sprachen sich Merkel und Putin kurz vor dem Ablauf eines Ultimatums an Teheran für eine diplomatische Lösung aus.

Merkel bescheinigte Moskau zwar eine seit 40 Jahren "verlässliche Partnerschaft" bei den Energielieferungen. Doch sie fügte hinzu: "Es ist natürlich so, dass wir in Europa Diskussionen über Rohstoffe haben." Die EU hatte zuletzt immer offener vor zu großer Abhängigkeit von Russland gewarnt. Putin sicherte seinerseits "verlässliche Lieferungen" zu, drohte aber zugleich erneut damit, dass Russland für seine Rohstoffe auch andere Abnehmer suchen könne. Moskau sehe die Abwehrhaltung gegen Aktivitäten russischer Konzerne auf dem europäischen Markt selbst als "Bedrohung". Der russische Gasriese Gasprom will am Verkauf von Gas in Europa und den großen Gewinnspannen der Energiekonzerne beteiligt werden.

Unterdessen besiegelten der deutsche BASF-Konzern und Gasprom die gemeinsame Ausbeutung des sibirischen Gasfelds Juschno Russkoje, während der Eon-Konzern dort zunächst nicht zum Zuge kam. Nach monatelangen zähen Verhandlungen unterzeichneten die beiden Konzerne in Anwesenheit Merkels und Putins den Vertrag, der BASF zu 35 Prozent an der Ausbeutung des riesigen Gasfeldes beteiligt. Im Gegenzug bekommt Gasprom weitere Anteile an dem Kasseler Unternehmen Wingas, mit dem beide Unternehmen seit 1990 gemeinsam Gas in Europa vertreiben.

Der deutsche Energieriese Eon, der ebenfalls eine Beteiligung an dem Geschäft anstrebt, ging in Tomsk leer aus. Einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge will Eon aber Gasprom knapp die Hälfte ihrer Gasaktivitäten in Ungarn anbieten, um bei dem Gasfeld noch zum Zuge zu kommen.

Auch Vertreter anderer deutscher Wirtschaftsbranchen unterzeichneten am Rande der Regierungskonsultationen neue Verträge. So vereinbarten Deutsche Bahn und russische Bahn RZD die Gründung eines gemeinsamen Logistik-Tochterunternehmens. Deutschland ist der wichtigste Außenhandelspartner Russlands. Überdies ist Russland mit einem Exportzuwachs von 15,4 Prozent im vergangenen Jahr der am schnellsten wachsende Markt für deutsche Produkte gewesen.

Merkel und Putin sprachen bei ihrem vierstündigen Treffen auch über zahlreiche politische Themen, darunter den Atomstreit mit dem Iran. Sie forderten dabei eine diplomatische Lösung. "Es muss alles daran gesetzt werden, dass die internationale Gemeinschaft gemeinsam vorgeht", sagte Merkel nach dem Treffen mit Putin vor Journalisten. Putin forderte, die IAEA müsse die "Führungsrolle" im Atomstreit mit dem Iran behalten. Diese Last dürfe die Behörde "nicht auf den UN-Sicherheitsrat abladen", sagte er in Tomsk. Russland stellt sich bisher zusammen mit China gegen Sanktionen im UN-Sicherheitsrat. Die EU, vor allem aber die USA wollen solche Zwangsmaßnahmen gegen Teheran verhängen.

Russland wird laut Putin seine Schulden beim Pariser Club noch in diesem Jahr zurückzahlen. Die Schulden Moskaus bei der Organisation der wichtigsten Gläubigerländer belaufen sich auf schätzungsweise 11,9 Milliarden Dollar (etwa 9,6 Milliarden Euro). Moskau hatte im vergangenen Jahr bereits 15 Milliarden Dollar vorzeitig an den Pariser Club zurückgezahlt. Die steigenden Preise für Öl und Gas haben in den vergangenen Jahren Milliardensummen in den russischen Staatshaushalt gespült. (tso/AFP)

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