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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) nach dessen Rede.

© Michael Kappeler/dpa

Merkel und Gabriel im Bundestag: Kanzlerin: "Freuen Sie sich doch"

In der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl versucht die SPD, sich klar von der Union abzugrenzen. Doch der Verteidigungsetat erweist sich als schwieriges Mittel der Wahl.

Der Schlagabtausch zwischen Sigmar Gabriel und Angela Merkel fand zeitversetzt statt. Nachdem das TV-Duell am Sonntag zwischen Kanzlerin und Herausforderer Martin Schulz von Konsens geprägt war, wurde das Aufeinandertreffen von Merkel und Außenminister bei der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl mit umso mehr Spannung erwartet. Doch statt Gabriel antwortete am Dienstagvormittag auf die Kanzlerin zunächst Thomas Oppermann. Es hätte beim Vizekanzler wohl seltsam angemutet, hätte er im selben scharfen Wahlkampfmodus agiert wie der SPD-Fraktionschef. Der erklärte zwar, auch er sei "stolz auf das von der Bundesregierung Erreichte". Aber: Diese Regierungserfolge mussten "hart gegen Sie, Frau Merkel und die Union erkämpft werden".

Interessant war die Debatte trotzdem; unter anderem, weil das Problem der Sozialdemokraten einmal mehr deutlich wurde, als Juniorpartner in der Regierung Wahlkampf zu machen, oder die herzliche Abneigung, in der sich Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht und die Sozialdemokraten verbunden sind. Merkel wiederum war so deutlich in der Ansprache wie fast nie im Bundestag. Nachdem SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sie mehrfach unterbrochen und die Regierungsarbeit als nur gut Dank SPD-Arbeit dargestellt hatte, sagte Merkel: "Gegen meinen Willen und den der Unionsfraktion konnten Sie in diesem Bundestag echt nichts durchsetzen, Herr Heil. Freuen Sie sich doch über das gemeinsam Erreichte."

Den roten Faden für die Debatte allerdings setzte ein anderer. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich hatte noch vor Beginn der eigentlichen Tagesordnung die Aufgabe, zu erklären, warum die SPD nicht einem Linken-Antrag zustimmen wollte, über den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu diskutieren. Die Gelegenheit nutzte er, eine anvisierte Erhöhung des Verteidigungshaushaltes auf zwei Prozent des Gesamthaushaltes als irrsinnig zu kritisieren und Angela Merkel vorzuwerfen, sich "dem Zwei-Prozent-Diktat eines US-Präsidenten Trump unterzuordnen". Unglücklicherweise - aus SPD-Perspektive - hatte nun aber Kanzlerkandidat Martin Schulz in einem Interview mit dem Deutschlandfunk von potenziellen "jährlich fünf Milliarden mehr" für die Bundeswehr gesprochen. Was die Union zu der Interpretation veranlasste, im Ergebnis erreiche man so die Zwei-Prozent dann ja auch. Das führte zu immer wieder neuen Einwürfen und Beiträgen, auf die letztlich dann drei Stunden nach Merkel auch der Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel Bezug nahm.

Merkel: "Werde alles gegen Dieselfahrverbote tun"

Zu Beginn allerdings bemühte sich die Kanzlerin als einzige Rednerin, in ihrer Ansprache zur Lage Deutschlands die Erfolge der vergangenen vier Jahre herauszuarbeiten und auf die Anforderungen der kommenden Legislaturperiode einzugehen, ohne dabei die Verfehlungen des Koalitionspartners in den Vordergrund zu stellen. Anders als beim TV-Duell, dass sich zu zwei Dritteln mit der Flüchtlingsfrage befasste, legte Merkel ihren Schwerpunkt auf Zukunftsthemen. Das Land stehe angesichts des "digitalen Fortschritts wieder an der Schwelle zu einer neuen Etappe", so die Kanzlerin, und wählte die Automobilindustrie als Beispiel, an dem man "wie in einem Brennglas die Summe der Herausforderungen" sehe.

Merkel wollte "Fehler benennen und die Zukunft sichern mittels vernünftiger Rahmenbedingungen", aber nicht "mittels Verboten". Und konkret: "Ich werde alles tun, dass es keine Diesel-Fahrverbote geben wird." Was ihr postwendend heftige Kritik von Grünen-Politikern auf Twitter einbrachte, und auch später vom Rednerpult aus von Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir. Der empfahl der Kanzlerin, sich "die Krokodilstränen zu sparen. Sie erzwingen doch die Fahrverbote durch Ihr Nichtstun." Özdemir forderte, das Elektroauto der Zukunft müsse in Deutschland gebaut werden, das Festhalten am Verbrennungsmotor verglich er mit dem Festhalten von Kaiser Wilhelm an der Pferdekutsche.

Insgesamt hob die Kanzlerin auf Digitalisierung, Investitionen in Bildung und den Klimaschutz ab, um dann auch noch auf einen EU-Gipfel - nach der Wahl im Oktober - zu sprechen zu kommen. Dann wolle Deutschland über die Frage der Suspendierung oder auch des Beendens der Beitrittsgespräche mit der Türkei debattieren. Sie erklärte aber auch, dass ein offener Dissens zwischen EU-Staaten im Blick auf Ankara unbedingt vermieden werden müsse. Und klang dabei nicht so, als würde sie von einem Fehlen ihrer Person bei dem Treffen ausgehen.

Gabriel: Macht Nordkorea Schule, wird die Welt sehr gefährlich

All das beeindruckte die Linke Sahra Wagenknecht wenig. In ihrer direkten Antwort auf die Kanzlerin ging sie auf Missstände im Land ein, auf den Niedriglohnsektor, auf Kinder "als Armutsrisiko Nummer Eins", auf den Dieselskandal. In ihrer Kritik machte sie aber vor der Union nicht halt, sondern schonte, wie später ihr Parteifreund Dietmar Bartsch, auch die SPD nicht: "Sie sind mit dafür verantwortlich, dass es für die Wähler keine Alternative gibt", so Wagenknecht in Richtung Sozialdemokraten.

Offensichtlich ist das eine Sorge, die die SPD tatsächlich umtreibt. Ob das Thema Verteidigungsetat, wie in dieser Bundestagsdebatte versucht, tatsächlich in den verbleibenden Tagen bis zum 24. September als Unterscheidungsmerkmal zur Union geeignet ist, war am Dienstagvormittag unklar. Als Außenminister Sigmar Gabriel um kurz vor 13 Uhr dann das Wort ergriff, schlug er den großen Bogen, der eigentliche Grund für die kontroverse Rüstungsdebatte sei folgender: Setze sich das Beispiel Nordkorea und das der Aufrüstung durch, dann werde "die Welt sehr gefährlich". Deutschland sei bisher eine Friedensmacht gewesen. Das solle das Land auch weiter sein und diese Botschaft auch weiter in die Welt tragen, statt mehr Geld in Rüstung zu investieren.

Allerdings hat die SPD auch immer wieder betont, dass die Bundeswehr zumindest für die Ausrüstung besser finanziert werden muss. Die Lacher wenigstens hatte Gabriel auf seiner Seite, als er erklärte, den in Teilen desolaten Zustand der Truppe habe vor allem der ehemalige CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu verantworten: "Der ist mit der Bundeswehr ungefähr so sorgsam umgegangen wie mit seiner Doktorarbeit."

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