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Politik: „Merkel und Koch wollen die Solidarität aus Deutschland verjagen“

Die SPD-Linke Wieczorek-Zeul über den Umbau des Sozialstaats, den Frust der Parteibasis – und die Unterschiede zur Union

HEIDEMARIE

WIECZOREKZEUL (60)

ist stellvertretende SPD- Vorsitzende, Entwicklungsministerin und Vertreterin der SPD-Linken.

Foto: ddp

Frau Wieczorek-Zeul, wo ist das stille Kämmerlein der stellvertretenden SPD-Chefin?

Haha, ich weiß genau, was Sie meinen. Mein stilles Kämmerlein ist mein Herz.

Dort, im stillen Kämmerlein Ihres Herzens teilen Sie den Frust und Ärger der SPD-Basis über die Regierung. So jedenfalls haben Sie es auf dem Parteitag der Hessen-SPD gesagt.

Nein, ich habe dort gesagt, dass ich die Kritik unserer Basis teile, dass wir die Grundlinien unserer Politik besser aufzeigen müssen. Ich ärgere mich nicht über den Inhalt, sondern manchmal darüber, wie wir unsere Politik kommunizieren. Aber da kann ja jeder und jede dazu beitragen, dass sich das bessert.

Viele an der SPD-Basis klagen, dass ihre Politik nicht mehr sozial gerecht ist.

Wir sind dabei, die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren, den Sozialstaat in einer schwierigen Phase umzubauen. Das ist ein neuer Fortschrittsansatz, den nur wir leisten können. Die Union dagegen will den Sozialstaat abbauen. Merkel, Koch und die anderen wollen die Solidarität aus Deutschland verjagen. Genau das zeigt doch ihre Forderung nach Kopfpauschalen. Demnach sollen die Starken künftig nicht mehr für die Schwachen einspringen. Die Union plant den Systemwechsel in den Neoliberalismus.

In Wirklichkeit sind Sie doch froh, dass die Union sich so angreifbar macht.

Die SPD-Mitglieder und Wähler wollen in der Tat wissen: Wo sind die Alternativen zwischen den Volksparteien? Jetzt, da die Union nicht länger rumeiern kann, werden die Alternativen wieder deutlich. Die Republik würde eindeutig kälter mit der Union.

Wer ist für die ungenügende Vermittlung der Regierungspolitik verantwortlich?

Wir alle tragen dafür Verantwortung, auch ich selbst.

Bringen die Hartz-Gesetze das Ziel des demokratischen Sozialismus näher?

Wir stabilisieren ja mit den Sozialreformen die sozialen Sicherungssysteme und sichern den Sozialstaat. Wir sorgen dafür, dass Wachstum vorankommt und die Beschäftigung wieder steigt, gerade auch mit der Gemeindefinanzreform und dem Vorziehen der Steuerreform. Es geht um die Frage: Wie kann unter so veränderten wirtschaftlichen Bedingungen gesellschaftlicher Fortschritt bewirkt werden? „Demokratischer Sozialismus“ bedeutet ja auch die gesellschaftliche Alternative zum Neoliberalismus.

Ihr Generalsekretär will den Begriff demokratischer Sozialismus eindampfen.

Das klären wir im nächsten Jahr auf einem Programmparteitag. Die Frage ist: Was ist die Meta-Botschaft in dieser Auseinandersetzung? Reduzieren wir die programmatische Spannweite auf das, was aktuelle Notwendigkeiten sind? Oder ist die grundlegende Perspektive wichtiger? Ich bin überzeugt, dass gerade in Phasen, da uns schwierige Entscheidungen abverlangt werden, die langfristige Perspektive deutlicher sichtbar sein muss.

Ist es denn sinnvoll, einer ohnehin verunsicherten Partei jetzt auch noch ihre lieb gewonnenen Begriffe streitig zu machen.

Das ist sicher nicht sinnvoll, nein.

Warum gibt die SPD-Linke ein so zerrissenes Bild ab? Warum wird sie mehr als Blockierer denn als Gestalter wahrgenommen?

Die SPD-Linke blockiert nicht. Wir müssen als Linke künftig aber noch klarer machen, dass es eine Alternative etwa zum amerikanischen Vorherrschaftsmodell gibt, nicht nur militärisch, sondern auch gesellschaftspolitisch.

Die Fragen stellten Markus Feldenkirchen und Hans Monath.

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